Wer ist er - und wenn ja, wie viele? Mein Kunde und seine Rollen

Es gibt in einem Unternehmen viele die „nein“ zu Ihrem Angebot sagen können, aber meistens nur einen der „ja“ sagen kann. Und das ist der Entscheider! Im letzten Verkaufstipp (Nr. 81 „„Kommen Sie Doch Mal Vorbei“ – Die Hidden Agenda Unseres Kunden“) haben Sie viel über den Empfehler und den Beeinflusser erfahren. Heute geht es um den Entscheider. Die Person, die im Kundenunternehmen entscheidet, welches Angebot am Ende zum Zuge kommt.

Die gute Nachricht: Entscheider wollen und müssen Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen beruhen darauf, dass ein Problem oder ein Hindernis, das dem Entscheider für seinen persönlichen Erfolg im Wege steht, gelöst bzw. entfernt wird. Dabei beschäftigt sich der Entscheider nicht zwangsläufig mit den Details der Problemlösung, sondern der große Brocken muss weg. Entscheider entscheiden sich dabei gerne für Anbieter, die ihnen das Gefühl geben, dass ihr Problem professionell gelöst wird. Die Herausforderung an der Sache ist: Dieses gute Gefühl können Sie nur persönlich vermitteln. Das kann weder der Empfehler, noch der Beeinflusser für Sie tun. Deshalb ist die höchste Priorität für Sie als Verkäufer, mit dem Entscheider zu sprechen.

Dazu benötigen Sie ein klares Standing. Das bedeutet, dass Sie dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren. In den letzten Verkaufstipps haben Sie erfahren, dass Ihr Angebot einen Wert hat. Dieser Wert drückt sich nicht zwangsläufig in Euro aus, außer Sie sind Handwerker oder gehören einer ähnlichen Zunft an, bei der das Angebot schon einen großen Teil der gewünschten Leistung ausmacht. Handwerker sind deshalb in den meisten Fällen dazu übergegangen, ihr Angebot mit einem Eurobetrag zu berechnen. Kommt der Auftrag zustande, wird dieser Betrag als Anzahlung vom Endbetrag abgezogen. Aus meiner Sicht ist das ein schönes Beispiel für Verkaufen auf Augenhöhe.

10 Minuten mit dem Entscheider

Aber egal, ob Handwerker oder eine andere Branche. In dem Moment, in dem Sie ein Angebot erstellen, investieren Sie Zeit, Wissen und Erfahrung und das hat seinen Wert. Dieser Wert verdient einen Gegenwert und diesen Gegenwert definieren Sie für Ihr Unternehmen. Beispiele für einen definierten Gegenwert könnten sein:

  • Bevor Sie ein Angebot erstellen, stellen Sie fünf Fragen und die Antworten sind der Preis für das Angebot.
  • Sie laden die potenziellen Kunden in Ihre Ausstellung ein und nur, wer kommt, bekommt auch ein Angebot.
  • Sie wollen eine Reihe von Interna wissen, damit Sie das richtige Angebot erstellen können. Ich habe schon des Öfteren eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnet, bevor ich ein Angebot erstellt habe, weil ich interne Details dafür wissen wollte.
  • Sie wollen eben mindestens 10 Minuten mit dem Entscheider sprechen!

Bei letzterem kann eine Aussage wie: „Unsere (internen) Zertifizierungsregeln schreiben ein Gespräch von 10 Minuten mit dem Entscheider vor, ansonsten kann ich kein Angebot erstellen.“ (Quelle: Verkaufen an Top-Entscheider) sehr nützlich sein. Auch wenn Sie und Ihr Unternehmen Meilen von einer DIN-Norm-Zertifizierung entfernt sind, können Sie diesen Satz sagen. Denn Sie können so viele interne Regelungen haben, wie Sie möchten. Die Aussage gilt ab dem Moment, ab dem Sie entscheiden, dass Sie diese Regeln haben. Probieren Sie es aus. Sie werden interessante Antworten erhalten und sehr oft zum Ziel kommen.

Wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben und mit dem Entscheider verbunden sind, gilt es, das Gespräch sehr gut zu nutzen.

Fragen an den Entscheider

Bitte stellen Sie dem Entscheider jetzt keine Fragen, die Sie bereits mit dem Empfehler oder dem Befürworter besprochen haben. Unter keinen Umständen. Sie stehlen dem Entscheider damit nur seine Zeit. Weshalb?

  • Was interessiert den Entscheider? Wo liegen seine Prioritäten?
  • Er will keinen Hammer kaufen – sondern den Raum verschönern.
  • Er will, dass er seinen Zielen näher kommt und dass das Unternehmen weiterkommt.
  • Er will selten Details wissen, sondern wie das Große und Ganze funktioniert.
  • Er will Ihnen als Verkäufer nicht die Welt erklären, aber vielleicht seine Motivation.

Das bedeutet für Sie: Fassen Sie kurz zusammen, was Sie von dem Empfehler und/oder dem Beeinflusser erfahren haben und fragen Sie ihn dann, was das wichtigste Kriterium sei, dass er sich für ein Angebot entscheidet. Was soll sich nach der Anschaffung des Produktes oder nach der Ausführung der Dienstleistung für ihn verbessert haben? Was darf auf keinen Fall passieren?

Klappe halten

Und dann hören Sie zu und halten Sie die Klappe. Ich weiß, das ist nicht immer einfach. Nur, wenn Sie wirklich den Auftrag haben wollen, ist es entscheidend, dass Sie erfahren, welches Problem Ihr Entscheider hat. Das ist besonders wichtig, wenn Sie wissen, dass Sie nicht der einzige Anbieter sind. Das ermitteln Sie nur, wenn Sie wirklich zuhören. Egal, was Sie bisher vom Empfehler oder vom Beeinflusser gehört haben, diese beiden sehen das Problem und damit die Lösung immer aus ihrem Blickwinkel. Der Empfehler, wie er damit sein Arbeitsumfeld besser gestalten kann, der Beeinflusser, wie er mit seiner Empfehlung am meisten Applaus bekommt, weil er sachlich und professionell recherchiert hat.

Hören Sie zu! Gerade, wenn Verkäufer von ihrem Angebot sehr begeistert sind, neigen viele gerne dazu, den Entscheider von ihrem superkalifragilistischexpialigetisch besten Angebot der Welt erzählen zu wollen. Doch in den meisten Fällen ist der Grund, weshalb Sie diesen Termin erhalten, der, dass der Entscheider bereits das Wichtigste über Ihr Produkt weiß oder er auf eine andere Art und Weise den Eindruck bekam, Sie könnten eine Lösung für ihn haben. Wenn er Details von Ihnen darüber wissen will, wird er Sie fragen. Darauf können Sie sich verlassen. Entscheider sind es in den meisten Fällen gewohnt, die Gesprächsthemen zu bestimmen und zu sagen, wo es langgeht.

Weshalb ist es so wichtig, zuzuhören?

Damit Sie erstens, tatsächlich die wichtigsten Beweggründe für eine Entscheidung erfahren und zweitens, damit Sie seine Formulierungen später im Angebot übernehmen können. Ich habe schon oft vom Entscheider gehört, dass mein Angebot das einzige war, bei dem sie oder er das Gefühl hatte, dass ich sie/ihn wirklich verstanden hätte. Ob ich immer alles verstanden habe, weiß ich nicht. Was aber immer funktioniert, ist, die Formulierungen meiner Gesprächspartner so weit als möglich zu übernehmen.

Das beweist zum einen, dass Sie wirklich zugehört haben und zum anderen, dass es Ihnen um die Ziele Ihres Kunden geht und nicht darum, mit Ihren Errungenschaften anzugeben. Entscheider wissen das zu schätzen. Finden Sie heraus, was die wirkliche Motivation hinter der geplanten Kaufentscheidung ist.

Die Motivation hinter der Entscheidung

Wenn der Entscheider Sie nach seinen Ausführungen fragt, weshalb Sie glauben, dass Ihr Angebot das richtige für ihn ist, verbinden Sie Ihre Argumente für bzw. Tatsachen zu Ihrem Angebot immer mit einem Vorteil und dem Nutzen für Ihren Kunden. Dabei ist es wichtig, dass dieser Nutzen auch eine emotionale Komponente hat. Was Ihnen dabei hilft, ist eine lange Liste von Tatsachen / Vorteilen / Nutzen.

Beispiel: Großes Lager

Tatsache ist, dass Ihr Unternehmen über ein großes Lager verfügt, der Vorteil für Ihre Kunden ist, dass sie just-in-time bestellen können, ihr Nutzen dabei ist, dass kein Kapital durch Lagerbestände gebunden und somit die Liquidität nicht verringert wird. Da sich Entscheider gerne mit den großen und wichtigen Fragen im Unternehmen beschäftigen, ist „unser“ Nutzen Liquidität ein wichtiges emotionales Argument für den Entscheider. Was glauben Sie, wäre das ein Argument für den Empfehler gewesen? Interessiert er sich für die Liquidität?

Deshalb ist es so wichtig, mit dem Entscheider persönlich zu sprechen.

Der Abzeichner

Wenn alles gut läuft und in Ihrem Angebot auf die Bedürfnisse des Entscheiders eingegangen wurde, haben Sie den Auftrag. Meistens! Denn es kann noch ein Hindernis geben. Den Abzeichner. Der Abzeichner sitzt entweder über dem Entscheider oder er hat aus anderen Gründen ein Vetorecht.

Die schlechte Nachricht ist, dass Sie mit dem Abzeichner in den seltensten Fällen sprechen können. In den meisten Fällen wissen Sie nicht einmal, dass es da noch jemanden gibt. Wer ist ein Abzeichner? Zum Beispiel ein Seniorchef, der zwar die Führung schon lange aus der Hand gegeben hat, aber sich eben ein Veto nicht nehmen lässt. Oder ein Gremium, wie ein Aufsichtskomitee, das besonders größere Entscheidungen absegnen muss. Oder der Betriebsrat. Wenn ich meine Trainings in größeren mittelständischen Unternehmen verkaufe, spielt der Betriebsrat öfter eine Rolle. Immer wieder höre ich: „Frau Graupner, das Training machen wir zusammen. Genauso wie Sie es uns vorgeschlagen haben und es im Angebot detailliert aufgeführt ist. Jetzt, brauchen wir noch die Zustimmung des Betriebsrates, reine Formsache, und dann legen wir los.“

In den meisten Fällen ist es wirklich eine reine Formsache, aber eben nicht immer. Es ist mir im Laufe meiner 20-jährigen Trainertätigkeit schon zwei-, dreimal passiert, dass der Betriebsrat auf ein Gespräch mit mir bestanden hat. Es ging immer gut aus, das halte ich aber bis heute für eine Glückssache.

Formsache oder Prüfstein

Die Motivation der Abzeichner ist meistens, den Wert des Unternehmens zu erhalten oder gar zu steigern. Sie legen auch viel Wert auf die Außenwirkung und das Image des Unternehmens, aber auch darauf, dass das große Ziel, das hinter dem Gerüst „Unternehmen“ steht, nicht im Tagesgeschäft verloren geht. Abzeichner denken strategisch. Wenn Sie plötzlich einen Termin mit dem Abzeichner bekommen, obwohl der Vertrag mehr oder weniger unterschriftsreif vor Ihnen liegt, dann fragen Sie den Entscheider nach den Werten des Abzeichners. Bitte versuchen Sie nicht, dem Abzeichner jetzt Ihr Angebot nochmals zu verkaufen. Das interessiert ihn nicht wirklich. Es kann Ihnen passieren, dass der Abzeichner keine Minute damit verbringt, die Vorteile oder auch Nachteile Ihres Angebotes mit Ihnen zu besprechen. Auch der Preis interessiert ihn nicht. Er geht davon aus, dass der Entscheider hier bereits einen guten Job gemacht hat. Er will Sie und/oder Ihr Unternehmen von einer anderen Seite kennen lernen. Passen Sie und Ihre Firma zum Unternehmen und zur Vision des Abzeichners? Oder in meinen Fällen mit dem Betriebsrat: „Wie denke ich über Menschen und wie gehe ich grundsätzlich mit den Menschen im Training um?“ Dem Abzeichner zu erzählen, dass ich die „schönste und tollste“ Trainerin am Trainingsmarkt bin, wäre eher kontraproduktiv gewesen.

Multiple Persönlichkeiten

Empfehler, Beeinflusser, Entscheider und Abzeichner, vier Rollen auf vier Personen aufgeteilt – so ist es meistens in größeren mittelständischen Unternehmen und natürlich in großen Unternehmen. Doch wie ist es in kleineren mittelständischen Unternehmen oder kleinen Firmen? Welche Gesprächspartner gibt es dort? Empfehler? Beeinflusser? Nur Entscheider? Abzeichner? Im ersten Moment könnte man denken, es gäbe nur einen oder zwei dieser Gesprächspartner? Doch weit gefehlt. Es gibt sie alle vier. Nur nicht immer in einzelnen Exemplaren! Sondern die Rollen werden von einer oder zwei Personen übernommen.

Das bedeutet, dass Ihr Gesprächspartner in unterschiedlichen Rollen zu unterschiedlichen Gesprächszeiten mit Ihnen spricht. Vielleicht ist er im Erstgespräch mehr in der Rolle des Empfehlers und will genau wissen, wie Ihr Angebot sein Problem im Alltag im Detail löst. Anschließend sieht er Ihr Angebot aus der Vogelperspektive und spricht mit Ihnen über die Auswirkungen, wenn er Ihr Angebot annimmt und einsetzt. Oder er sammelt erst einmal viele Daten, um sich in einer Matrix die Unterschiede der diversen Angebote deutlich zu machen. Später im Gespräch spricht er dann mit Ihnen in der Rolle des Entscheiders und mit den Prioritäten eines Entscheiders. Und da ist nicht immer der Preis das Entscheidende, sondern viel mehr der Blick über den Tellerrand und das große Ganze, das er in seiner Entscheiderrolle im Blick haben muss.

Finden Sie durch eine ausführliche Analyse und Ihre Konzentration auf Ihren Gesprächspartner heraus, in welcher Rolle er mit Ihnen spricht. Wenn Sie das gekonnt einsetzen, haben Sie gegenüber Ihrem Mitbewerber einen großen Vorsprung, der nicht so leicht einzuholen ist.

Verkaufen auf Augenhöhe hilft Ihnen, die verschiedenen Rollen Ihrer Gesprächspartner zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Viel Erfolg dabei.

Ihre

Gaby S. Graupner