Du oder Sie? – Wenn das „Du“ zur Falle beim Kunden wird

Diese Woche fragten mich einige Teilnehmer im Vertriebstraining: „Ist es besser mit dem Kunden per Du oder per Sie zu sein?".

Nun, ich hatte ja  zehn Jahre ein Dialogmarketingunternehmen. Meine Mitarbeiter betreuten die Kunden meiner Kunden unter anderem auch in der Funktion der Telefonfonzentrale. Das bedeutete, dass wir die Anrufe der Kunden unseres Kunden annahmen, Informationen notierten oder direkt an unsere Kunden verbanden. Das führte dazu, dass meine Mitarbeiter mit den Mitarbeitern unserer Kunden oft mehrmals am Tage telefonierten und es sich immer wieder ergab, dass man anfing, sich zu duzen. Und dann passierte immer öfter etwas Interessantes.

Es war unsere Aufgabe, den Namen des Anrufers zu notieren, seine Telefonnummer und gelegentlich auch die E-Mail-Anschrift sowie meistens den Grund seines Anrufes. Nun gab es Anrufer, die ihren Namen nur schnell durchs Telefon nuschelten, weil sie davon überzeugt waren, dass jeder sofort zu wissen hatte, wer sie sind.In der Praxis war dem aber nicht so und das bedeutete, wir motivierten den Anrufer, seinen Namen zu wiederholen oder sogar zu buchstabieren. Eine Aufforderung, die unterschiedlich freundlich von den Anrufern angenommen wurde. Wenn man daher mit unserem Kunden „befreundet“ war, indem man ihn duzte, hoffte man plötzlich auf das erweiterte Verständnis unserer Kunden, wenn ein Name mal nicht so richtig notiert war oder ließ ihn ganz weg, um unseren Kunden dann zu bitten, den Namen doch aus der hausinternen Kundenkartei selbst herauszusuchen. Was die meisten Mitarbeiter unserer Kunden dann auch großzügigerweise taten. Bis der Chef, also unser eigentlicher Auftraggeber, dies bemerkte und bei mir anrief und leicht verärgert nachfragte, weshalb wir unserer Aufgabe nicht vertragsgemäß nachkamen und seine Mitarbeiter wertvolle Arbeitszeit damit verbrachten, Informationen zu eruieren, für die wir bezahlt wurden. 

Womit er sachlich gesehen vollkommen recht hatte. Lange Rede, kurzer Sinn – ich verbot meinen Mitarbeitern das „Du“ der Mitarbeiter des Kunden anzunehmen. Denn bei Kunden, mit denen sie nach wie vor im „Sie“-Modus waren, schlichen sich selten solche Unregelmäßigkeiten ein. Wurden sie also vom Mitarbeiter unserer Kunden gefragt, ob man sich nicht duzen wolle, weil man sich ja öfter am Tag sprach, teilten meine Mitarbeiter mit, dass sie ja gerne würden, es jedoch eine Anweisung von mir gab, dass sie dies nicht durften. So behielten sie ihr Gesicht und der Kundenmitarbeiter auch. 

Bedeutet das jetzt, dass Sie, ob Mitarbeiter im Vertrieb oder Einzelunternehmer, Ihre Kunden nicht mehr duzen sollen? Nein, so weit würde ich nicht gehen. Es bedeutet aber, dass Sie sich zweier Rollen, die Sie als Verkäufer, Innendienstmitarbeiter oder Kundenbetreuer immer haben, bewusst sind. Und dass Sie sich entsprechend bei Ihrem Kunden verhalten. 

Repräsentant und Anwalt

Zum einen sind Sie immer Repräsentant Ihres Unternehmens. Auch wenn Sie mit Ihrem Kunden gerade private Informationen im Smalltalk-Teil Ihres Gespräches austauschen. Wenn dieses Gespräch als Kundengespräch, also im Kontext des Tagesgeschäftes begann, führen Sie es als Repräsentant Ihres Unternehmens. Als Repräsentant bewerfen Sie sich nicht mit Schimpfwörtern, auch nicht im Spaß oder als Flachserei. Sie erzählen nichts zu privates oder gar intimes und „schmutzige“ Witze haben im Gespräch mit dem Kunden auch nichts zu suchen. 

Denn alles, was Sie sagen, und dessen sind sich viele Mitarbeiter nicht bewusst, sagen Sie im Namen der Firma. Das heißt, wenn Sie sich einmal unsicher sind, ob eine Aussage oder ein Scherz passend ist, dann fragen Sie sich kurz, ob Ihr Chef diese Aussage gegenüber einem Chef im Kundenunternehmen machen würde. Im Zweifel lieber lassen. 

Damit es kein Missverständnis gibt, dass heißt nicht, dass Sie nicht schlagfertig auf diverse Bemerkungen Ihres Kunden reagieren dürfen oder dass Sie sich Beleidigungen oder Beschimpfungen demütig anhören müssen. Ganz sicher nicht. Hier ist ein klares „Stopp“ immer erlaubt. Oder ein strategischer Abbruch des Gespräches, wie zum Beispiel so: „Herr Mustermann, ich merke, Sie sind gerade sehr aufgebracht und beleidigen mich deshalb. Es ist am besten, wir telefonieren in einigen Minuten wieder.“

Als Repräsentant vertreten Sie immer Ihr Unternehmen und sprechen immer im Namen des Unternehmens. 

Die zweite Rolle, die Sie stets haben, ist die Rolle des Anwaltes Ihres Unternehmens. Wie ist das gemeint?
Nun die Aufgabe eines wirklichen Anwaltes ist es, die Interessen seines Klienten zu vertreten. Also angenommen, Ihr Onkel Willi hat Ihnen per Testament ein Erbe hinterlassen. Und Ihre Tante Anna will Ihnen dies nun streitig machen. Wahrscheinlich würden Sie jetzt einen Anwalt beauftragen, der Ihre Interessen gegenüber Tante Anna vertritt. Und angenommen, nach zwei Wochen bittet Sie Ihr Anwalt in seine Kanzlei, er hat zwischenzeitlich mit Tante Anna gesprochen und sagt zu Ihnen: „Lieber Mandant, ich habe mit Tante Anna gesprochen und sie ist eine wirklich Nette. Außerdem ja auch eine ältere, hilflose Dame. Sie sollten Ihr wirklich etwas von Ihrem Erbe abgeben. So eine arme, nette, besondere (und vieles mehr) Dame.“

Wahrscheinlich hätten Sie das Gefühl, im falschen Film zu sitzen und würden ihn augenblicklich feuern. 

Doch wie ist es mit Ihrem Kunden, den Sie ja schon lange kennen? Mit dem Sie per Du sind und sich sehr gut verstehen, vielleicht sogar die eine oder andere Unternehmung bereits zusammen erlebt haben? Wie reagieren Sie, wenn er von Ihnen eine Ausnahme „fordert“. Oder wenn es darum geht, Ihm einen Sonderrabatt einzuräumen? Auf wessen Seite stehen Sie dann?

Ist es Ihnen dabei schon einmal passiert, dass Sie Ihren Kunden als den Schwächeren ansehen gegenüber Ihrem Arbeitgeber und ihm deshalb mehr entgegengekommen sind, als es im Sinne Ihres Auftrages gut gewesen wäre? Hand aufs Herz!

Oder wenn Sie selbständig sind, entscheiden Sie öfter zu Gunsten Ihres Kunden, weil er so nett ist oder Ihnen die Ohren volljammert, wie schlecht es ihm gerade geht, geschäftlich, privat oder allgemein?

Denken Sie daran, Sie sind immer der Anwalt Ihres Unternehmens. Die Interessen Ihres Arbeitgebers stehen immer im Vordergrund gegenüber dem Kunden. Auch wenn Sie selbst Ihr Arbeitgeber sind.

Sie sollten immer im Sinne Ihres Unternehmens handeln und die Interessen Ihres Unternehmens vertreten. Sie haben dies kraft Ihres Arbeitsvertrages versprochen. 

Und wenn Ihnen das per „Sie“ leichter fällt, als wenn Sie per „Du“ mit Ihrem Kunden sind, dann bleiben Sie am besten per „Sie“

Übrigens sagt Elisabeth Motsch, Stil- und Knigge-Expertin: Das „Du“ wird immer vom Kunden angeboten und nicht vom Lieferanten. Dabei spielen sowohl Alter wie auch Geschlecht keine Rolle. Der Kunde bietet das „Du“ an, der Lieferant wartet bzw. bleibt beim „Sie“.

Sie entscheiden. Viel Erfolg weiterhin mit Ihren Kunden, wünscht Ihnen

Gaby S. Graupner