Sind Sie auch ein pawlowscher Hund?

Iwan Petrowitsch Pawlow entdeckte Anfang des 20. Jahrhunderts, dass sobald Hunde das Futter witterten, verstärkter Speichelfluss auftrat. Er wollte daraufhin feststellen, ob der Speichelfluss von der Witterung des Futters abhängig war oder von dem Geräusch der Schritte dessen, der fütterte. Deshalb brachte er das Läuten einer Glocke einige Zeit in Zusammenhang mit der Fütterung der Hunde. Bereits nach kurzer Zeit stellte er fest, dass der Speichelfluss der Hunde auch verstärkt auftrat, obwohl nur das Läuten der Glocke zu hören war und überhaupt kein Futter dargeboten wurde. 

Der Wissenschaftler Pawlow erklärte dieses Phänomen mit der sogenannten Konditionierung der Hunde. Einmal gelernt, dass es bei Glockengeläute Futter gibt und schon ist es für lange Zeit als logische Reaktion in das Verhalten eingebrannt. 
Aus eigener Erfahrung mit meinem Hund weiß ich, dass eine spezielle Konditionierung sehr lange anhält, obwohl der Auslöser für das konditionierte Verhalten bereits seit zwei Jahren nicht mehr da ist. 

Was hat das nun mit Ihnen und Ihrem Verhalten als Verkäufer zu tun?

Es geht um das Thema Rabatt. Damit ist jedoch nicht die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis, also die Marge bei B2B gemeint, sondern die Frage nach mehr Rabatt oder Sonderrabatt, die gerne vom Kunden kommt, wenn er sein persönliches Angebot erhalten hat. 

Viele Kunden haben es sich angewöhnt, nach dem gut kalkulierten Angebot beim Lieferanten anzurufen und zu fragen, was denn noch möglich sei, beim Preis. Wie weit man ihm, dem Kunden noch entgegenkommen kann. Frei nach dem Motto: „Ein bisschen was geht immer.“ 

So funktioniert es dann auch: Der Kunde erhält das Angebot, ruft an und fragt nach Rabatt und fast schon wie aus der Pistole geschossen antwortet der Verkäufer mit ein, zwei oder drei Prozentpunkten zusätzlichen Rabatts. (Je nach Branche gelten auch andere Zahlen.) 

Kaum haben wir das zwei- bis dreimal gemacht, lernt unser Kunde: „Wenn ich Rabatt sage, kommt ein neuer Preis.“ Wer jetzt genau konditioniert wird, ist fast eine philosophische Streitfrage. Kunde oder Lieferant? Oder beide?

Wer ist jetzt der pawlowsche Hund?

Wir, weil wir auf das Wort „Rabatt“ mit weiteren Prozentpunkten antworten oder unser Kunde, weil er weiß, dass er mit dem Wort „Rabatt“ winken muss und schon fallen die Preise? 

Faszinierend ist auch, dass wenn unser Kunde zwei-, dreimal Erfolg hatte mit dem „Rabatt – extra Nachlass – Spiel“ und wir diesen „Sondernachlass“ dann plötzlich nicht mehr geben, er empört reagiert, weil er bereits nach ein paarmal „extra Nachlass“ ein Recht darauf für sich beansprucht. 
Doch auch die Höhe des Extra-Rabattes ist bei uns konditioniert. Nehmen Sie doch einmal ein Blatt Papier zur Hand und schreiben Sie die durchschnittliche Höhe des Extra-Rabattes auf, den Sie Ihrem Kunden geben, wenn er nach Erhalt des ordentlich kalkulierten Angebotes mehr Nachlass fordert. Entscheiden Sie sich für die häufigste Rabattzahl.

Welche Ziffer steht auf Ihrem Papier? Jetzt kommt jeder von Ihnen, liebe Leser, ja aus einer anderen Branche und pro Branche gibt es unterschiedliche Gewohnheiten, unabhängig davon zieht sich eine Art roter Faden von Zahlen durch die Branchen. 

Sie haben Ihre häufigste (Extra-)Rabattzahl notiert?

Lassen Sie mich raten?

War es die 2 oder die 3 oder die 5 oder die 7 oder die 10 oder die 12?

Einmal abgesehen davon, dass es bestimmte Regeln in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Branche zum Thema Sonderrabatte gibt, sind es im Durchschnitt immer wieder die gleichen Zahlen, die genannt werden. 

An erster Stelle würde die Eins stehen, weil wir gerne die Ersten sind. Doch die Eins trauen wir uns meistens nicht. Ein Prozent Rabatt erscheint uns zu wenig, deshalb wählen wir die nächsthöhere Zahl und das ist die Zwei. 

Die Drei nehmen wir gerne, weil alle guten Dinge drei sind. Sie ist eine unserer Lieblingszahlen und außerdem klingt sie gut, ist nicht zu viel und nicht zu wenig. Erstaunlich dagegen ist, dass nur ganz selten vier Prozent Extra-Rabatt gewährt wird. Stattdessen kommt gleich die Fünf. Wenn es keine „besondere“ Anweisung in Ihrem Unternehmen gibt, dann fehlen die Zahlen vier und sechs erfahrungsgemäß als Rabattprozentzahlen. Dagegen kommt als nächste Größe die Sieben. Sie ist bei uns sehr beliebt, weil wir sie auch als unsere Glückszahl ansehen. 

Acht und Neun wiederum sind ausgesprochene Ausnahmen. Zehn Prozent Rabatt sind dagegen wieder gängig. Diese Zahl entspricht der Anzahl der Finger an unseren beiden Händen und ist uns somit sehr geläufig. Wie sieht es mit der Elf aus? Trotz Fußball ist sie eher selten. Dagegen wird die 12 wieder mehr genommen, weil sie unserem bekannten Dutzend entspricht. 

Weshalb verwenden viele so konsequent diese Zahlen? Wenn ich diese Frage im Training stelle antworten die Teilnehmer meistens: „Mein Kunde erwartet diesen Prozentsatz.“ Falsch! Wir sind das so gewöhnt. Diese Zahlen, wie zum Beispiel die „Drei“ zu nennen, ist eine Gewohnheit. 

Sind unsere Preise gerührt, geschüttelt oder kalkuliert?

Diese Gewohnheit ist kontraproduktiv. Wenn unser Kunde Rabatt ruft und wir schnell mit „drei“ antworten, würde ich mich als Kunde wundern. Wo bleibt die Kalkulation? Sind die drei Prozent vorher draufgerechnet worden, wenn wir sie jetzt so schnell nachlassen? Das ist eine berechtigte Frage.

Wollen wir einmal von der Frage absehen, ob es überhaupt Sinn macht, bei dem Ausruf „Rabatt“, gleich mit Nachlässen zu winken, anstatt einfach mal „nein“ zu sagen. Darüber kann man vortrefflich philosophieren. Doch gesetzt den Fall, in Ihrer Branche ist das so üblich und Ihr Kunde ruft oft und gerne laut: „Rabatt“. Wenn Sie das nächste Mal wieder mit „drei“ Antworten wollen, dann sagen Sie stattdessen doch einfach einmal: „2,75 Prozent kann ich Ihnen maximal noch nachlassen.“ Dass dieser Satz nicht wie aus der Pistole geschossen kommen, sondern wenigstens der Eindruck einer „Nachkalkulation“ entstehen sollte, versteht sich von selbst.

Doch angenommen, anstatt „drei“ kommt jetzt von Ihnen „2,75“, dann werden Sie feststellen, dass in den meisten Fällen diese „2,75“ genauso akzeptiert werden. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. 

Einer davon ist, dass es den meisten Menschen sehr schwer fällt „2,75 Prozent“ schnell im Kopf auszurechnen. Wie viel sind 2,75 % von 600 €? 

Wie viele Sekunden haben Sie gebraucht? Haben Sie das Ergebnis schon mit dem Taschenrechner überprüft? 

Die meisten Gesprächspartner werden jetzt automatisch mit drei Prozent rechnen. Das ist leichter und stimmt so ungefähr. Ca. 18 Euro, wird im Kopf gedacht und aufgrund dieses schnellen Ergebnisses eine Entscheidung getroffen. 

Wenn Sie zu den Verkäufern gehören, die jeden Monat, jedes Quartal oder am Jahresende eine Liste mit ihren Umsätzen und ihren Deckungsbeiträgen bekommen und Sie ab sofort nur noch mit „krummen“ Zahlen arbeiten, werden Sie sich wundern wie sehr sich das auf die Erhöhung Ihres Deckungsbeitrages auswirkt. Ganz mutige können auch mit 2,25 Prozent arbeiten.

Der nächste Grund, weshalb 2,75 in den meisten Fällen genauso funktioniert wie „drei Prozent“ ist, dass 2,75 höher klingt als drei. Zumindest gefühlt. 

Und der dritte Grund, 2,75 Prozent sind glaubwürdiger als drei Prozent. Sie klingen mehr nach Kalkulation als nach gewürfelten oder gerührten Preisen. Dies gilt natürlich auch für 1,75 oder 4,75 usw.

Probieren Sie es aus!

Zum Abschluss habe ich heute noch eine Frage an Sie: Wenn Sie Ihrem Kunden fünf Prozent Zusatzrabatt geben, wie viel Einheiten Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung müssen Sie dann mehr verkaufen, um auf denselben Nettogewinn zu kommen, wie wenn Sie diese fünf Prozent nicht zusätzlich vergeben hätten?

Schreiben Sie mir die richtige Antwort. Alle richtigen Antworten erhalten eine Belohnung. Außerdem verlose ich unter allen richtigen Einsendungen drei Exemplare der neuen Auflage meines Buches: „Verkaufe dein Produkt, nicht deine Seele“.

Haben Sie öfter den Mut „nein“ zum Rabatt zu sagen und stoppen Sie dadurch den „pawlowschen Hund“ oder wenn schon Rabatt, dann nehmen Sie „krumme“ Zahlen. Achten Sie auf Ihren Deckungsbeitrag. Der Deckungsbeitrag ist der echte Wert einer Verkäuferin oder eines Verkäufers!

Sonnige Grüße sendet Ihnen

Gaby S. Graupner