„Prinzip Hoffnung“ – oder wie Sie als Verkäufer gleich zweimal enttäuschen

Nicht nur während einer Reklamationsbehandlung, sondern auch unter anderen Umständen, gibt es Situationen, in denen der Ablauf des Geschehens oder das Ergebnis nicht so ist, wie es sich unser Kunde wünscht.

Entweder wird die Gewährleistungsfrist oder die Garantiezeit nicht auf Kulanz verlängert oder die Lieferzeit dauert eben wie sie dauert oder der Austausch der Lieferung erfolgt nicht kostenfrei oder, oder. Nachdem wir diese „schlechte“ Nachricht nun unserem Kunden mitgeteilt haben, insistieren einige Kunden gerne. Es gibt drei Arten, wie unsere Kunden dabei vorgehen.

Wenn der Kunde auf die Tränendrüse drückt

Zum einen, Ihr Kunde bleibt sachlich, jedoch hartnäckig. Immer wieder sagt er:

„Ich brauche das aber, weil...“

„Ich will das aber, weil...“

„Es muss doch einen Weg geben, dass ...“

Die andere Art ist, dass Ihr Kunde verbal aggressiv wird und Sie dabei durchaus mit Worten angreift, indem er Sätze sagt, wie:

„Da hätte ich aber mehr von Ihnen erwartet.“

„Wenn sich bei Euch einer auskennen würde, dann...“

„Können Sie überhaupt nichts richtig machen?“

Die dritte Variante ist, dass er an Ihr besseres „Ich“ appelliert oder gar auf die Tränendrüse drückt. Das hört sich dann so an:

„Ich brauche Ihre Hilfe...“

„Sie sind meine letzte Rettung, wenn Sie es nicht hinbekommen, dann passiert mir „Schreckliches“.

„Sie schaffen das. Wenn nicht Sie, wer dann?“

Egal, welche Variante er wählt, um Sie unter Druck zu setzen, Kunden haben einen sechsten Sinn, wenn es darum geht, die richtigen Knöpfe zu drücken.    

Nehmen wir folgende Situation an:

Ihr Kunde hat ein Produkt bestellt, das Sie als Vertriebsmitarbeiter eines Handelsunternehmens nun bei Ihrem Hersteller bestellen. Die Lieferzeit beträgt vier Wochen und pünktlich zum festgelegten Termin kommt das Produkt auch bei Ihrem Kunden an. Und genau in diesem Moment stellt Ihr Kunde fest, dass das sehnlichst erwartete Produkt falsch ist. Egal, wer den Fehler gemacht hat, Ihr Kunde reklamiert bei Ihnen.

Mehr geht nicht...

Sie rufen beim Hersteller an und dieser versichert Ihnen, dass in weiteren vier Wochen das „richtige“ Produkt da ist. Natürlich üben Sie etwas Druck aus und wenn alles gut geht, hilft das und die Lieferzeit wird auf drei Wochen verkürzt. Der Hersteller macht Ihnen dabei unmissverständlich klar, dass eine weitere Verkürzung nicht möglich ist, egal, was Sie ihm bieten.

Mit dieser Information melden Sie sich beim Kunden und dieser reagiert, wie erwartet, „not amused“. Mit welcher der drei Versionen, wie oben beschrieben, er auch reagiert, es wird anstrengend. Jetzt bei der bereits getroffenen und bekanntgegebenen Aussage zu bleiben, ist eine große Herausforderung für viele.

Sie haben den Eindruck, je mehr Sie betonen, dass es keine Alternative gibt, desto mehr erhöht Ihr Kunde den Druck. Und genau in diesem Moment passiert es dann, Sie knicken ein. Das heißt, Sie antworten mit Sätzen wie:

„Ich rufe gerne noch mal beim Hersteller an. Vielleicht gibt es ja eine andere Möglichkeit.“

Sofort ist Ihr Kunde ruhig und unter Umständen reagiert er sehr dankbar.

Das Gespräch ist zu Ende und Sie atmen erst einmal durch. Manche rufen jetzt tatsächlich noch einmal beim Hersteller an und geben den Druck jetzt an den telefonischen Gesprächspartner weiter. Der wiederum wiederholt das, was er Ihnen bereits beim ersten Gespräch mitgeteilt hat. Diesmal schon bedeutend reservierter, wenn nicht sogar ärgerlicher. Andere dagegen rufen gar nicht erst an, sondern sitzen eine bestimmte „Wartezeit“ ab, beziehungsweise erledigen offene Aufgaben. Denn sie wissen, an der Aussage wird sich nichts ändern, egal, wie oft man beim Hersteller anruft. Die Variante des Abwartens hat den Vorteil, dass keiner mehr Zeit verliert. Weder die Gesprächspartnerin beim Hersteller noch Sie.

Der Hauptgrund, weshalb wir diese Antwort „Ich probiere es noch einmal“ gewählt haben, ist, dass wir aus dem unangenehmen Gespräch mit unserem Kunden heraus wollten. Fürs Erste sind wir also gerettet.

Das dicke Ende kommt noch

Weshalb reagieren Verkäufer oft so kurzsichtig? Manche fühlen sich schuldig, weil der Fehler eventuell bei ihnen lag oder weil sie glauben, dass der Fehler bei ihnen lag. In den meisten Fällen ist es pure Hilflosigkeit. Sie wissen einfach nicht mehr, was sie sagen sollen.

Und wie in Urzeiten, ergreift Sie der Fluchtgedanke. Bloß raus aus dem Gespräch. Damit das halbwegs professionell wirkt, erzählen Sie etwas von:

„...noch mal Dampf machen...“

„...noch eine Idee gekommen...“

„...spreche mal mit xyz, dass könnte helfen.“

Zurück bleibt ein Kunde mit neuer Hoffnung. Doch über kurz oder lang kommt der Moment der Wahrheit und Sie müssen Ihren Kunden erneut anrufen. Neues Telefongespräch – alte Situation. Das ist der Moment in dem Sie Ihren Kunden doppelt enttäuschen. Zum einen hat sich ja an der Lieferzeit von drei Wochen nichts geändert und zum anderen haben Sie das Vertrauen und die Hoffnung, die der Kunde jetzt in Sie gesetzt hat, enttäuscht. Auch wenn unsere Kunden das selten betonen, im Grunde ihres Herzens ist der Verkäufer ihres Vertrauens auch immer so etwas wie sein Held. Als Ihr Kunde auflegte, nachdem Sie einen erneuten Einsatz für ihn versprochen hatten, also das „Prinzip Hoffnung“ geweckt haben, hatte Ihr Kunde Gedanken wie:

„Der schafft das.“

„Die Frau xyz bekommt alles hin, das hat sie schon oft bewiesen.“

„Gut, dass er/sie sich jetzt noch mal darum kümmert, das wird schon klappen.“

Und genau das ist ja nicht möglich und damit ist der Moment der erneuten Bestätigung der „alten“ Aussage auch der Moment der großen Enttäuschung.

Wie könnte es besser gehen?

Dass Sie bereits vor Ihrer ersten Aussage, dass die Lieferzeit drei Wochen beträgt, alles in Ihrer Macht Stehende getan haben, einen weiteren Vorteil für Ihren Kunden zu erreichen, davon gehe ich aus. Also bleiben Sie beim nächsten Mal in Ihrer Aussage konsequent.

„Herr Kunde, der Hersteller hat die Lieferzeit mit drei Wochen angegeben. Ich habe mich natürlich für Sie eingesetzt, deshalb sind es auch nur noch drei Wochen. Vorher waren es vier.“

Kunde macht Druck.

„Ich kann Sie sehr gut verstehen. In meinem Gespräch mit dem Verkaufsleiter des Herstellers habe ich mich für Sie eingesetzt. Die Lieferzeit beträgt drei Wochen.“

Kunde macht weiterhin Druck.

„Sie haben vollkommen Recht. Das ist eine schwierige Situation für Sie. Deshalb war es mir so wichtig, für Sie die kürzeste mögliche Lieferzeit zu verhandeln. Sie beträgt drei Wochen.“

Wenn Sie sich die drei „unterschiedlichen“ Reaktionen ansehen, werden Sie sehen, dass es im Grunde genommen immer die gleiche Aussage ist, nur immer wieder anders formuliert. Und das ist auch das Geheimnis, um nicht einzuknicken. Wiederholen Sie so lange wie nötig die immer gleiche Aussage in anderen Worten. Das ist auch der große Trost in dieser Situation. Es gibt keinen Zaubersatz oder eine besondere Kommunikationsformel, es gibt nur die schlichte Aussage, dass es so ist, wie es ist. Die konsequente Wiederholung setzt sich am Ende durch.

Nein, Ihr Kunde wird nicht pro Wiederholung glücklicher. Aber es gibt ihm die Sicherheit, dass er mit seiner Art zu insistieren sein Bestes gegeben hat. Irgendwann fängt sein Verstand wieder an zu arbeiten und er beginnt, über Alternativen und Lösungen nachzudenken, die ihm helfen, die gegebene Situation, wie zum Beispiel „drei Wochen Lieferzeit“, mit höchstmöglicher Schadensbegrenzung zu überstehen.

„Prinzip Hoffnung“ verhindert die Suche nach Lösungen

Die Suche Ihres Kunden nach Lösungen, wie er mit den Umständen der Situation umgeht, startet erst dann, wenn er sicher weiß, dass es keine Alternative zu den „drei Wochen Lieferzeit“ gibt. Helfen Sie ihm, so schnell als möglich damit anzufangen. Das erspart Ihnen viel Zeit und Ihr Kunde wird nicht zweimal enttäuscht.

Was können Sie im Vorfeld noch tun, damit Sie bestenfalls nicht in diese Situation des Druckmachens seitens Ihres Kunden geraten?

Vermeiden Sie beim ersten Mal, wenn Sie Ihrem Kunden die „schlechte“ Nachricht der dreiwöchigen Lieferzeit mitteilen, folgende Aussagen:

„Leider dauert die erneute Lieferung drei Wochen.“

„Es tut mir so leid, aber die Lieferung dauert drei Wochen.“

Ich bin immer dafür, dass wir uns entschuldigen, wenn ein Fehler bei „uns“ liegt. Doch hier geben wir dem Kunden das Gefühl, dass wir die Situation auch nicht in Ordnung finden und er sieht dadurch einen Verbündeten in uns, der doch selbst auch sagt, dass diese drei Wochen nicht in Ordnung sind. Also macht er Druck, damit Sie sich für ihn einsetzten.

Vermeiden Sie des Weiteren auch sämtliche Arten von „Konjunktiven“ wie:

„eigentlich, vielleicht, eventuell“

„ich glaube, denke, hoffe, vermute“

„könnte, würde, sollte“

Diese Formulierungen vermitteln Ihrem Gesprächspartner den Eindruck, dass das letzte Wort noch nicht gefallen ist. Da ist noch etwas möglich. Er glaubt, wenn wer nur genug Druck macht, dann werden Sie sich für diese „Rest-Hoffnung“ einsetzen und alles wird gut.

Die Lösung ist also,

dass Sie im Vorfeld alles daransetzten, für Ihren Kunden die beste Lösung innerhalb der Reklamationsbearbeitung zu verhandeln. Anschließend überlegen Sie sich, wie Sie diese Lösung Ihrem Kunden mitteilen, ohne dabei beschönigende Weichmacher zu verwenden. Zum Schluss wiederholen Sie das Ergebnis so oft wie nötig mit immer wieder anderen Worten, bis der Kunde die Situation so akzeptiert wie sie ist. 

Das hilft Ihnen beiden, so schnell als möglich wieder zu Ihren jeweiligen Aufgaben zurückzukehren. Und das ist am Ende die wichtigste Form der Schadensbegrenzung.

Viel Erfolg dabei. Ihre

Gaby S. Graupner