Verkaufen auf Augenhöhe – Wer fragt, der führt – aber richtig!

„Nun, kommen wir zu einem meiner Lieblingsthemen im Verkauf: Fragen stellen!“ Wenn ich diesen Satz im Training sage, sehe immer wieder Teilnehmer, die jetzt ihre Augen verdrehen. So lang-weilig! Geschlossene und offene Fragen kennen sie schon. 

Nun, es stimmt, schon einmal davon gehört hat jeder. Wenn die Teilnehmer jedoch im Simulationscamp des Trainings sitzen, dabei Verkaufsgespräche wirklich durchgeführt werden und ich dann eine Strichliste erstelle, bezüglich offener und geschlossener Fragen, was denken Sie, lieber Leser, wer gewinnt? Haushoch die geschlossenen Fragen. Kennen ist nicht gleich können!

Tatsächlich sind Fragen das mächtigste Instrument im Verkauf, aber auch in der Menschen- bzw. Mitarbeiterführung sowie in der partnerschaftlichen Beziehung. Wer fragt, führt nicht nur, er steuert auch! 

Die offenen und geschlossenen Fragen sind dabei nur die Spitze des Eisberges. Neben einer Reihe von weiteren Fragearten gibt es sehr effektive Fragestrategien, über die Sie im nächsten Verkaufstipp lesen werden. 

Offene und geschlossene Fragen

Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, geschlossene Fragen sind nicht verboten, im Gegenteil, sie sind sehr sinnvoll und sollten gezielt eingesetzt werden. 
Zum Beispiel, um beim Einstieg in der Kundenakquise den Kunden direkt und auf Augenhöhe zu fragen, ob unser Angebot für ihn von Interesse ist. Diese Einstiegsfrage könnte folgendermaßen lauten:

„Interessiert Sie das?“
„Brauchen Sie das?“
„Wollen Sie das?“
„Ist das wichtig für Sie?“

Die meisten Verkäufer haben gelernt, beim Einstieg in die Kundenakquise niemals eine geschlossene Frage zu stellen. Nun, viele unserer Kunden sind auf der anderen Seite auch Verkäufer oder sind grundsätzlich offen, wenn es um Kommunikation geht und haben diese „Neuigkeit“ der offenen Fragen eben auch schon vernommen. Für mich ist es eine Frage der Augenhöhe, ob wir unseren Kunden wirklich für voll nehmen oder versuchen, ihn mit „alten Floskeln“ abzuspeisen. 

Eine der, aus meiner Sicht, schlimmsten Floskeln ist die Frage: „Wann passt Ihnen mein Besuch besser, am Anfang der Woche oder am Ende?“ Eine sogenannte Alternativfrage. 

Alternativfragen sind wirklich wichtige Fragen im Verkaufsprozess, nur nicht an dieser Stelle. Wir kommen später noch einmal auf diese Frageart zurück.

Geschlossene Fragen, um es einmal erwähnt zu haben, sind Fragen, auf die Ihr Gesprächspartner mit „ja“ oder „nein“ antwortet. Außerdem gibt es noch die „relativ geschlossenen Fragen“, das sind Fragen, die zwar mit „W“ beginnen, deshalb jedoch noch lange nicht wirklich offen sind. 

Wie spät ist es? 13 Uhr
Woher kommst du? Stuttgart
Wie heißt du? Peter
Welchen Beruf übst du aus? Verkäufer

Alles W-Fragen, jedoch mit sogenannten „Ein- oder Zwei-Wort-Antworten“. – Auch das macht Sinn, zum Beispiel, wenn Sie als technischer Verkäufer einen Laien durch einen Prozess führen oder im Reklamationsgespräch die Ursache des Fehlers finden wollen. Aber auch, wenn Ihr Gesprächspartner dazu neigt, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen.

Offene Fragen sind nicht immer wirklich offen!

Relativ offene Fragen dagegen starten meistens mit den berühmten W-Wörtern, begrenzen aber den Bereich, auf den sich die Frage bezieht.

„Was willst du essen?“
„Was denkst du über die Einführung der neuen Software?“
„Wie sieht ein entspannter Urlaub für Sie aus?“
„Was erwarten Sie von einem guten Lieferanten?“

Wenn Sie dagegen ganz offene Fragen stellen, sind das Fragen, bei denen Sie so wenig wie möglich vorgeben. Diese Fragen starten meistens mit den Fragewörtern:

„warum“, „wieso“, „weshalb“ oder „wozu“.

Jedoch Achtung, bei den „Warum“-Fragen im Umgang mit Kunden und mit persönlichen Partnern. „Warum“-Fragen sind sogenannte Rechtfertigungsfragen. Weshalb sind uns Rechtfertigungsfragen so unangenehm?

Denken Sie zurück an Ihre Schulzeit. Sie kamen mit einer schlechten Note nach Hause und die Eltern fragten: „Warum hast du eine 5 geschrieben?“ Was waren damals meistens unsere Antworten? 

„Dieses Thema hatten wir nicht durchgenommen.“
„Der Lehrer hat gesagt, wir schreiben diese Woche keine Prüfung.“
„Alle in der Klasse haben diese Note?“

„Warum“-Fragen und Opferstories

Unsere Antworten waren sogenannte Opferstories. Wir waren für die Situation bzw. das Ergebnis nicht verantwortlich. Seitdem gelten „Warum“-Fragen bei den meisten Menschen als sehr verpönt und nur in sehr seltenen Fällen in den Gesprächen als zielführend. Außerdem sind sie sehr vergangenheitsorientiert. Bei einer Warum-Frage erklären wir gerne, wie es zu diesem Ergebnis kam, das macht nicht viel Sinn im Umgang mit Kunden. 

Viel besser sind dagegen „Wozu“-Fragen. Wozu wünscht unser Kunde diese oder jene Ausführung? „Wozu“-Fragen sind mehr in die Zukunft gerichtet. Sie bringen weder uns noch unseren Gesprächspartner in den Rechtfertigungsmodus. Sie zeigen die Motivation, den Gedankengang und auch den tieferen Sinn der geplanten Vorgehensweise. 

Abgesehen von den klassischen geschlossenen und offenen Fragen, welche Fragenarten helfen Ihnen außerdem, mit Ihrem Kunden auf Augenhöhe zu bleiben?

Motivations- bzw. Meinungsfragen

Motivations- bzw. Meinungsfragen sind immer dann sinnvoll, wenn wir während einer Problemsituation das Gespräch neutral und auch positiv beginnen wollen; wenn wir erst einmal eine Ist-Analyse durchführen; herausfinden wollen, wo genau die Beteiligten in dieser Diskussion stehen?

Diese Frageart ist auch dann sehr zielführend, wenn Sie wissen wollen, was Ihr Gegenüber denkt oder in welche Richtung es mit seiner Entscheidung gehen wird. 
Mit diesen Fragen stellen Sie Ihren Gesprächspartner zugleich in den Mittelpunkt des Gespräches. Sie zeigen ihm, dass Sie an seinen Ausführungen interessiert sind. Das motiviert und aktiviert Kunden, sich für etwas einzusetzen, außerdem deutet diese Frageart ebenso an, dass man eine persönlichere Beziehung und eine gewisse Vertraulichkeit betonen möchte. 

Im Verkaufsgespräch werden Motivationsfragen besonders beim Probeabschluss eingesetzt. Bevor Sie eine Abschlussfrage stellen und unter Umständen ein „Nein“ erhalten, macht es mehr Sinn, zu klären, wo Ihr Kunde gerade in seiner Meinungsbildung steht. 

Beispiele für Motivations- und Meinungsfragen sind:

• Was denken Sie über das Angebot?
• Was halten Sie von diesem Vorschlag?
• Welchen Aspekt finden Sie am wichtigsten?
• Was motiviert Sie, diese Dienstleistung jetzt zu nutzen?

Wenn hier keine begeisterte, positive bzw. zustimmende Antwort kommt, dann bedeutet das, dass Sie noch herausfinden müssen, was passieren muss, damit Ihr Gegenüber auf Ihr Angebot einsteigt oder Ihren Ausführungen zustimmt. Gerade im Verkauf ist es wichtig, immer wieder zu prüfen, ob Sie und Ihr Kunde noch denselben Weg gehen. 

Bedingungsfragen

Verhandlungen entstehen, weil ein Verhandlungspartner ein Entgegenkommen von seinem Gegenüber haben möchte. Das kann unser Kunde sein, der gerne Rabatt hätte; unser Lebenspartner, der das Wochenende im Freundeskreis und nicht mit der Familie verbringen will oder der Mitarbeiter, der bei seiner Urlaubsplanung ein Entgegenkommen von seinem Chef oder seinen Kollegen braucht. 

Hier sind Bedingungsfragen genau das Kommunikationselement, das die Verhandlungen auf Augenhöhe führen lässt. 

Die Technik dazu geht so: „Wenn, ... dann ...“

„Wenn Sie noch heute bestellen, dann erhalten Sie 2,75 % Sonderrabatt.“
„Wenn Du nächste Woche mit mir in die Kunstausstellung gehst, dann besuche ich Deine Mutter diesen Sonntag alleine und du kannst zum Skatspielen gehen.“

„Wenn Sie am nächsten Fenstertag Notdienst machen, dann können Sie gerne die nächste Woche freinehmen.“

Beide Verhandlungspartner kommen sich einen Schritt entgegen. Das ist im Verkauf besonders sinnvoll, wenn die Preise gut kalkuliert und klar definiert sind, unser Kunde aber auf einen Rabatt besteht. Damit Sie in dieser Situation auf Augenhöhe bleiben, stellen Sie eine Gegenforderung, eben eine Bedingung, unter der eine Ausnahme möglich ist. 

Wichtig dabei ist, dass Sie den Vorteil, den Ihr Gesprächspartner von diesem Deal hat, immer nach dem „...dann“ nennen. „Wenn Sie die Verpackungseinheit nehmen, dann kann ich Ihnen noch um 1,75 % entgegenkommen.“ Hier bleibt sein Vorteil besser im Gedächtnis und schwingt nach, wenn sich nach der Frage/Aussage Stille ausbreitet. Das unterstützt die Wirkung der Bedingungsfrage noch einmal.

Alternativfragen machen glücklich

Weiter oben haben Sie schon gelesen, dass es eine Situation gibt, bei der ich von einem Einsatz von Alternativfragen auf alle Fälle abrate. Nämlich, wenn es um die Terminvereinbarung in der Kundenakquise geht. 

In vielen anderen Situationen ist die Alternativfrage eine wunderbare Lösung. Wenn Sie zum Beispiel automatisch Ihren Umsatz erhöhen möchten, ohne auch nur die geringste Anstrengung. 

Stellen Sie doch zukünftig bei der Abschlussfrage im Verkauf folgende Alternativfrage: 

„Wollen Sie ein Stück oder lieber die Verpackungseinheit?“
„Nehmen Sie die drei Stück oder gleich sechs Stück als kleinen Vorrat?“

Es kann nichts passieren, ein Stück in unserem Beispiel oben, nimmt der Kunde auf alle Fälle, vielleicht sogar die Verpackungseinheit. Probieren Sie es aus. Auch, wenn nur jedes 10. Mal die Verpackungseinheit oder die „sechs Stück auf Vorrat“ gekauft werden. Es ist automatischer Umsatz. Meine Teilnehmer erzählen mir jedoch, dass ihre Quote, je nach Branche, bei jedem 3. oder 5. Mal liegt. Ein Versuch ist es allemal wert. 

Das Gleiche gilt jedoch auch in einem komplett anderen Bereich. Stellen Sie sich vor, ein Kunde ruft im Unternehmen an und hätte gerne Frau Mustermann gesprochen, diese ist jedoch erst am Nachmittag wieder zu erreichen. Die meisten Damen oder Herren am Telefon antworten dem Kunden jetzt folgendermaßen: „Frau Mustermann ist leider nicht am Platz. Kann ich Ihnen helfen?“ oder alternativ: „Frau Mustermann ist leider nicht am Platz, sie kommt am Nachmittag wieder. Rufen Sie dann noch einmal an.“ Auch, wenn zugegebenermaßen die zweite Variante eher von ungeschulten Mitarbeitern eingesetzt wird, gibt es auch zur ersten Variante eine bessere Lösung. 

Vorab eine andere Frage: „Welches weitere Vorgehen wäre Ihnen lieber: a) der Kunde soll nochmals anrufen oder b) Frau Mustermann ruft gerne zurück?"

Mit Alternativ-Fragen das Gespräch führen

Nehmen wir an, Lösung a) wäre die von Ihnen bevorzugte Variante. Dann würden Sie mit der Methode der Alternativfrage folgendermaßen fortfahren: „Frau Mustermann kommt heute Nachmittag wieder. Soll sie Sie zurückrufen oder wollen Sie sich noch einmal melden, dann können Sie entscheiden, wann es Ihnen am besten passt?“ Sie stellen also die Variante, die Ihnen am meisten zusagt, wieder an die zweite Stelle. Erfahrungsgemäß wird die zweite Variante öfter gewählt als die Lösung, die an erster Stelle steht. Damit Sie dabei noch mehr Treffsicherheit haben, geben Sie der zweiten Variante einen augenscheinlichen Vorteil. In unserem Fall: „...Sie können entscheiden, wann es Ihnen besser passt.“ Unsere Kunden greifen gerne zu der Lösung, die ihnen augenscheinlich mehr Nutzen bietet. 

Wenn man es genau nimmt, ist Frau Mustermann im Moment nicht zu erreichen. Das heißt, das primäre Interesse unseres Kunden, Frau Mustermann zu sprechen, erfüllt sich weder in Variante a) noch b). Man sollte meinen, dass der Anrufer in beiden Fällen über die Situation unglücklich ist. Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden: Wenn wir, wie in unserem Fall, Frau Mustermann nicht erreichen können, aber stattdessen eine Entscheidung fällen, fühlen wir uns nach dem Telefonat glücklicher bzw. erfolgreicher, als wenn wir nur erfahren hätten, dass Frau Mustermann am Nachmittag wieder zu erreichen ist. 

Machen Sie Ihren Gesprächspartner und sich selbst glücklich, indem Sie als Lösung immer zwei Varianten anbieten und dabei die von Ihnen bevorzugte Lösung an die zweite Stelle setzen, mit einem kleinen offensichtlichen Vorteil. 

Der letzte Tipp – Gegenfragen

Als Kinder haben wir gelernt, dass wir Fragen zu beantworten haben. Es wurde uns beigebracht, dass es ungezogen sei, auf eine Frage nicht sofort mit einer Antwort zu reagieren. Die meisten Menschen haben dadurch einen Antwortmechanismus entwickelt, der sie oft schneller antworten lässt, als für das eine oder andere Gespräch gut ist, besonders, wenn die Fragen geschickt gestellt wurden.

Zu der Zeit, als es noch ein fast intimer Akt war, Kunden am Telefon nach ihrem Vornamen zu fragen, haben wir in meinem Callcenter experimentiert, wie wir in den meisten Fällen und am schnellsten den Vornamen bekommen. Die Frage: „Wie ist Ihr Vorname“ offen und ohne Konjunktiv wurde in den meisten Fällen so beantwortet: Maria – warum wollen Sie das wissen? Das zeigte, Maria kam als Antwortmechanismus und dann kam die Gegenfrage. Nur, die Antwort, nämlich der genannte Vorname, konnte nicht mehr zurückgenommen werden. 

Stoppen Sie den Antwortmechanismus

Sehr viel geschickter wäre es gewesen, mit einer Gegenfrage zu antworten. Wieso? Schauen wir uns die Situation an einem anderen Beispiel genauer an: Angenommen, Ihre Lieferzeiten sind zurzeit etwas länger als gewöhnlich. In dieser Situation neigen manche Verkäufer dazu, dem Kunden schon vorsorglich zu signalisieren, dass die Lieferzeiten etwas länger als gewohnt dauern werden. Oder die Kunden fragen, bis wann denn geliefert werden kann und aufgrund unseres Wissens antworten wir mit einer bereits eingebauten Entschuldigung:

Kunde: „Bis wann können Sie liefern?“

Verkäufer: „Leider dauern unsere Lieferzeiten zurzeit etwas länger als sonst.“

Besser wäre jetzt eine Gegenfrage, anstatt des Antwortmechanismus. Dies sieht dann so aus:

Kunde: „Bis wann können Sie liefern?“

Verkäufer: „Bis wann brauchen Sie es?“

Entweder der Kunde spricht nun von einem Termin, der viel später aktuell sein wird, als unsere Lieferzeit im Worst Case dauert oder er nennt einen kürzeren Zeitraum, als wir im ersten Schritt einhalten können. Im ersten Fall können wir uns unsere Ausreden oder Entschuldigungen von vornherein sparen und im zweiten Fall kann unsere Antwort folgendermaßen lauten:

Kunde: „Ich brauche die Lieferung in zwei Wochen." (Unsere Lieferzeit beträgt jedoch vier Wochen.)

Verkäufer: „Zurzeit beträgt unsere Lieferzeit vier Wochen, das heißt, die Ware ist am 05. November bei Ihnen im Haus. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass Sie damit zurechtkommen?“

Durch zu schnelles Beantworten von Fragen haben sich viele Verkäufer immer wieder in schwierige Lagen gebracht oder an Kompetenz verloren, weil sie sich für Probleme entschuldigt haben, die noch gar nicht auf dem Tisch lagen und auch nie dort liegen werden. Bevor Sie zukünftig Fragen beantworten, überlegen Sie kurz, ob Sie eine Gegenfrage nicht sehr viel schneller an Ihr persönliches Ziel bringen kann. 

Fragen zu stellen gehört zu den wichtigsten Techniken, wenn es um das erfolgreiche Verkaufen geht. Aber auch, wenn es darum geht, Missverständnisse in Partnerschaften aufzuklären oder Menschen in unserem Sinne führen zu wollen.

Lernen Sie, Fragen zu stellen!

Viel Erfolg dabei wünsche ich Ihnen

Gaby S. Graupner

P.S.: Im nächsten Verkaufstipp lesen Sie über die richtigen Strategien bei einer erfolgreichen Bedarfs- und Nutzenanalyse, um einfacher zum Abschluss zu kommen. Sie erhalten noch keinen Verkaufstipp? Hier können Sie sich anmelden ...