„Kommen Sie doch mal vorbei“ – die Hidden Agenda unseres Kunden

Im letzten Verkaufstipp haben Sie erfahren, dass es Sinn macht, den potenziellen Kunden zu disqualifizieren, wenn er sich nicht an die Spielregeln hält. Das ist besonders dann der Fall, wenn er eine Terminvereinbarung nicht einhält oder Sie von Woche zu Woche vertröstet. Dabei kommt es vor, dass Verkäufer jahrelang hinter einem Kunden herlaufen. Am Ende des Verkaufstipps „K V79 Kunden Disqualifizieren“ habe ich Ihnen gesagt, dass es weitere Gründe geben kann, einen Kunden zu disqualifizieren. Genau darum geht es heute.

Gehen wir davon aus, Sie telefonieren mit einem potenziellen Kunden, entweder im Rahmen der aktiven Kundenakquise oder um einen länger bekannten Kontakt zum Kunden umzuwandeln. Und weiter angenommen, Ihr Kunde sagt: „Ja, kommen Sie doch mal vorbei.“ Sie wären kein echter Verkäufer, wenn jetzt nicht Ihr Herz einen kleinen Hüpfer machen würde und Sie sich nicht freuen würden. Denn eine Terminzusage ist der erste Schritt für einen erfolgreichen Verkauf – aber, und das ist das Problem an der Sache, ohne ein Kaufversprechen oft wertlos.

Eine Terminzusage ohne Kaufversprechen ist wertlos

Ohne ein Kaufversprechen werden viele dieser Fahrten zur reinen Zeitverschwendung. Meine Kunden haben eine ganze Reihe von bildhaften Beschreibungen dafür: Kaffeefahrten, Lustreisen oder Leerfahrten. Sie haben alle eines gemeinsam, sie waren umsonst. Wieso? Sie sind am Ende nicht mit einem Auftrag in der Tasche nach Hause gefahren. Stattdessen haben Sie viel Zeit und was oft noch viel schlimmer ist, Wissen in den Sand gesetzt.

Schauen wir solche „Kaffeefahrten“ etwas genauer an: Wenn Sie sich auf den Weg zu einem Kunden machen, ist einiges vorzubereiten. Manche von Ihnen erstellen eine Präsentation, angepasst an die Umstände Ihres Kunden. Andere bauen sogar ein Modell oder zeichnen entsprechende Pläne. Wieder andere drucken ein halbes Buch aus, das sie dann als Präsentation beim Termin überreichen. Alle haben eines gemeinsam: Sie haben sich ausgiebig mit Ihrem Kunden beschäftigt. Das kostet Zeit.

Beim Kunden angekommen, präsentieren Sie das Mitgebrachte, überschütten Ihren Kunden mit Ihren Fachbegriffen und erzählen, bei welchen Kunden Sie schon Aufträge geholt haben, die jetzt alle zufrieden mit Ihrem Angebot arbeiten. Man nennt das auch Kompetenzcheck. Ich will nicht sagen, dass das nicht wichtig ist, das gehört dazu. Doch Ihr Termin geht ja weiter. Ihr Kunde bringt eine Reihe von Einwänden vor, die Sie brillant auflösen. Manche Kunden erzählen jetzt von ihren täglichen Herausforderungen und präsentieren Ihnen detailliert ein Alltagsproblem. Und Sie zeigen, dass das für Sie keine echte Herausforderung darstellt, indem Sie dieses Problem gleich vor Ort lösen.

Kostenfrei lösen Sie die ersten Probleme

Gerade in Dienstleistungsbranchen ist es sehr beliebt, dass wir unsere Fachkompetenz bereits im Kundengespräch dadurch zeigen, dass wir aktuelle Probleme lösen. Das ist grundsätzlich auch in Ordnung, ein Bäcker oder Metzger reicht uns auch diverse Probierstückchen rüber, damit wir von seinem Können kosten können. Doch im Gegensatz zu uns, ist da der Kunde in den Laden gekommen, weil er etwas kaufen will. Der Bäcker oder Metzger wird also sicher Umsatz machen, durch die Probierstückchen will er diesen noch steigern.

Oft dient unsere Kaffeefahrt noch einem anderen wichtigen Ziel des Kunden. Der Marktanalyse! Der Kunde will sehen, wo er mit seinem derzeitigen Lieferanten steht. Ist es noch immer das Schnäppchen, das es damals war oder sind die Preise allgemein gefallen und er zahlt im schlimmsten Fall schon lange drauf. Da kommen Sie mit Ihrem fein ausgearbeiteten Angebot gerade recht.

Manche Gesprächspartner wünschen sich von Ihnen einfach eine Zusammenfassung der neuesten Entwicklungen am Markt. Anstatt sich durch diverse Informationen auf Internetseiten zu arbeiten oder auf unterschiedliche Messen zu gehen, präsentieren Sie schön aufbereitet, was sich technische in Ihrem Markt in den letzen drei Jahren so getan hat und Ihr Kunde weiß, wo er mit seinem Lieferanten heute steht.

Unsere Kunden haben „Hidden Agenden“

Je nach Gesprächspartner kommt es auch vor, dass unsere Kunden schon mal jemanden suchen, dem sie ihr Herz ausschütten können. Der Arbeitsalltag ist oft herausfordernd und etwas Mitgefühl von einem potenziellen Lieferanten schadet nichts. Besonders, wenn dieser signalisiert, dass auch er der Meinung ist, es könnte durchaus leichter sein, wenn man nur die neue Maschine anschaffen oder die eine oder andere Routineaufgabe outsourcen würde. Gemeinsam schmiedet man dann Pläne, was man alles tun könnte, wenn der Auftrag zustande käme und wie schön der Alltag doch dann für Ihren Kunden aussehen würde. Das Problem dabei ist, Ihr Gesprächspartner kann das offensichtlich nicht wirklich entscheiden.

Na, ertappt? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, all das ist vollkommen in Ordnung, wenn Sie am Ende den Auftrag bekommen. Selbstverständlich funktioniert Verkaufen nicht so: „eintreten – vorstellen – abschließen.“ Nein, unsere Kunden wollen schon sehen, dass sie die Katze nicht im Sack kaufen. Und das sollen sie auch, besonders dann, wenn Sie die richtige Antwort auf eine der wichtigsten Fragen im Verkaufen auf Augenhöhe erhalten.

Vereinbaren vor überzeugen

Stellen wir uns noch einmal vor, dass Ihr Kunde tatsächlich sagt: „Kommen Sie doch vorbei, nächste Woche hätte ich Zeit.“ Sie freuen sich und konkretisieren den Termin: Mittwoch, um 14.00 Uhr. Sie notieren den Termin und fragen nach, wo Sie sich melden sollen. Des Weiteren haben Sie noch die eine oder andere Frage, damit Sie auch entsprechend vorbereitet sind und gegebenenfalls bereits ein gut ausgearbeitetes Angebot mitbringen können. So weit, so gut. Das haben Sie bisher auch gemacht. Im Verkaufen auf Augenhöhe kommt jetzt die wichtigste Frage:

„Herr Kunde, angenommen, mein Angebot ist genau das, was Sie brauchen, was werden Sie dann tun?“ 

Was könnte Ihr Kunde dann tun? Nun, Folgendes: 

  • Das Angebot mit einem Vorgesetzten bzw. einem Entscheider besprechen
  • Es mit anderen Angeboten im Markt vergleichen
  • Darüber nachdenken, ob das Unternehmen überhaupt Budget bereitstellen kann
  • Darüber nachdenken, wann man das Angebotene einsetzen möchte
  • Klären, wann man aus dem laufenden Vertrag mit dem derzeitigen Lieferanten herauskommt

Alles interessante Dinge, eine Reaktion fehlt nur und das wäre die wichtigste: kaufen!

Das kommt natürlich auch vor. Nur, aus meiner Erfahrung, zu selten. Was meine ich damit? Zu selten fahren Verkäufer erst dann zum Termin, wenn sie dieses Kaufsignal erhalten haben. Die meisten fahren auch los, wenn eine der fünf anderen Antworten kommt. Entweder, weil sie im Vorfeld die Antwort gar nicht geklärt haben und deshalb die Hidden Agenda des Gesprächspartners gar nicht kennen oder weil sie überzeugt sind, dass sie, sollten sie erst einmal vor Ort sein, den Gesprächspartner schon überzeugen werden.

In den zehn Jahren, die ich als Dienstleister mit meinen Mitarbeitern die potenziellen Kunden meiner Kunden angerufen habe, um aktive Kundenakquise für meine Kunden durchzuführen, haben wir im Vorfeld genau die Ziele vereinbart, die wir für unseren Kunden am Telefon erreichen sollten. Immer wieder lauteten diese: Termine, Termine und noch mal Termine. Weiter hieß es dann: „Unsere Verkäufer werden dann schon die Aufträge holen.“

Wir kriegen sie alle – im Notfall mit hohen Rabatten

 Ist das wirklich so? Muss ich als Verkäufer nur den Fuß in der Tür haben und schon steht einem Auftrag nichts mehr im Weg? Meine 35-jährige Erfahrung sagt das nicht. Schwierig wird es immer dann, wenn eine Hidden Agenda hinter der Einladung zum Kundentermin steht. Dann kann der Verkäufer noch so gut darin sein, Rededuelle zu gewinnen. Dann kann er es noch so lieben, zu wissen, wie man als Sieger bei Machtspielchen im Verkaufsgespräch rausgeht. Wo kein echter Bedarf, da auch kein echter Auftrag. Wenn Sie Verkaufen auf Augenhöhe anwenden und die Antwort auf die Frage „Herr Kunde, angenommen mein Angebot ist genau das, was Sie brauchen, was werden Sie dann tun?“ nicht lautet: „Dann werden wir bei Ihnen kaufen“, sollten Sie nicht losfahren.

Einige meiner Kunden haben Angebote, die aus den verschiedensten Gründen nie beim ersten Gespräch gekauft werden. Das ist in Ordnung. Bitte überlegen Sie: Was ist der erste höchstmögliche Erfolg, denn Sie in Ihrer Branche beim ersten Termin bei Ihrem Kunden erreichen können? Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst. Wenn Sie dieses mögliche Ziel kennen, ersetzen Sie es durch: „Dann kaufen wir bei Ihnen.“ Nicht schummeln!

Kann es passieren, dass die Anzahl der Termine bei Ihren potenziellen Kunden weniger wird? Ja, das kann passieren. Es hängt stark davon ab, wie qualifiziert die Adressen der Firmen sind, die Sie kontaktieren. Aber die Abschlussquote bei den Terminen wird sich erhöhen und auch Ihre Umsatzzahlen. Weil Sie Ihre Zeit besser nutzen werden, wenn Sie nur Kunden besuchen, die einen Kauf bzw. einen Abschluss wenigstens in Erwägung ziehen. Aber nicht nur Ihre Umsatzzahlen werden steigen, sondern auch Ihre Deckungsbeiträge, weil Sie aufhören werden, so hohe Rabatte zu geben, dass auch loyale Kunden ihren derzeitigen Lieferanten kurzfristig rausschmeißen, weil sie sich dieses Schnäppchen auf keinen Fall entgehen lassen wollen.

Vor einigen Jahren haben meine Mitarbeiter einmal für einen Kunden eine äußerst lukrative Gewerbeimmobilie den Firmen angeboten, die im Umfeld dieser Immobilie ansässig waren. Die Immobilie zeichnete sich dadurch aus, dass es ein Neubau mit den neusten technischen Spielereien, der außerdem spannend gestaltet und erstaunlich günstig war. Eine unserer wichtigsten Fragen in der Kaltakquise lautete: „Wie lange läuft Ihr derzeitiger Mietvertrag noch?“ Ab und an hörten wir folgende Antwort: „Lassen Sie das mal meine Sorge sein, dafür haben wir einen Anwalt, der regelt das für uns.“ Möchten Sie solche Kunden?

„…dann waren wir eben zu teuer!“

 Ich erlebe immer wieder, dass Verkäufer, die davon überzeugt sind, dass sie nur beim Kunden am Tisch sitzen müssen, um dann mit Ihrer Überzeugungskraft und/oder Überredungskunst zu punkten, oft zurückkommen und sagen: „Wir waren zu teuer.“ Das ist für beide Beteiligten einfach die bessere Aussage, weshalb der Auftrag nicht zustande kommt. Kunden sagen ungern: „Ich wollte nur mal sehen, ob wir mit unserem derzeitigen Lieferanten noch gut dastehen.“ Und Verkäufer sagen ungern zu ihren Kollegen: „Dumm gelaufen, der wollte nur mal seinen Marktpreis testen.“ Da klingt „wir waren zu teuer“ schon tausendmal besser, das kennen schließlich alle Verkäufer und können sofort unterstützend zustimmen: „Ja, wenn wir andere Preise hätten, würden wir sehr viel mehr Aufträge holen.“

Nehmen wir zum Schluss doch dir Antwort: Mit anderen Angeboten im Markt vergleichen“, was können Sie als Verkäufer darauf antworten? Das Gespräch könnte folgendermaßen ausschauen:

Ihr Kunde: „Das klingt gut, ja, es interessiert mich. Nächste Woche habe ich Zeit dafür. Zum Beispiel am Mittwoch, 9.00 Uhr.“

Sie, der Verkäufer: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie gerne nächste Woche, am Mittwoch, um 9.00 Uhr mein Angebot näher kennenlernen?“

Ihr Kunde: „Ja, das will ich.“

Sie, der Verkäufer: „Ich trage mir den Termin sofort ein. Angenommen, mein Angebot ist genau die richtige Lösung für Sie und Sie sagen mir das auch im Laufe unseres Gespräches, was werden Sie dann tun?“

Ihr Kunde: „Dann werden wir Ihr Angebot mit anderen Angeboten im Markt vergleichen und uns wieder melden.“

Sie, der Verkäufer: „Herr Kunde, vielen Dank dass Sie das so offen sagen. Doch so arbeite ich nicht. Selbstverständlich erhalten Sie das beste Angebot, das wir Ihnen anbieten können. Gleichzeitig sind wir darauf bedacht, dass Sie genau die Lösung erhalten, mit der Ihre Probleme gelöst werden. Alle diese Punkte werde ich Ihnen bei meinem Besuch präsentieren und zusagen. Im Gegenzug brauchen wir Ihre Zusage, dass Sie planen, vorausgesetzt mein Angebot entspricht Ihren Vorstellungen, bei uns zu kaufen. Das ist Fairness, da Ihre Zeit sehr wertvoll ist und meine auch.

Wenn Sie im Moment keine Entscheidung treffen wollen, ist das vollkommen in Ordnung. Sagen Sie mir einfach, wann es Ihnen passt, unser Angebot kennenzulernen. Gerne lade ich Sie auch zu unserem nächsten Tag der offenen Tür ein. Hier können Sie erleben, welche Lösungen wir anbieten. Ist es Ihnen so lieber?“

Viele Kunden sind im ersten Moment überrascht, einige Nutzen die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, andere bewundern die klare Aussage und sagen dann, dass sie tatsächlich die Anschaffung planen und wenn Ihr Angebot passt, sie auch kaufen werden. Diese Kunden haben sich qualifiziert und selbstverständlich erhalten sie das beste Angebot, das es derzeit von Ihnen und am Markt gibt.

Sie wollen die, die Kaufen?

 Sie wollen von all den Firmen, die potenzielle Kunden sein könnten, diejenigen, die wirklich kaufen wollen. Dann fragen Sie genau so, dass Sie eine Antwort auf die Frage bekommen, ob Ihr Kunde nur eine Hidden Agenda verfolgt oder auf der Suche nach einem guten Lieferanten ist.

Als Verkäufer ist es Ihre Aufgabe, die Kunden zu finden, die bei Ihnen, zeitnah und zu Ihrem Preis, Ihr Angebot kaufen wollen. Seien Sie sich dessen bewusst, dass es keinen Sinn macht, eine Kaffeefahrt nach der anderen zu machen, nur um zu beweisen , dass Sie sie am Ende schon bekommen werden. Konzentrieren Sie sich auf die „echten“ Kunden, das wirkt sich in Ihren Umsätzen und Ihren Deckungsbeiträgen aus, außerdem bewahrt es Sie vor Stress oder noch schlimmeren Dingen wie Burnout oder Ähnlichem.

Sie sind das Beste, was Ihrem Kunden heute passieren konnte. Sie haben überzeugende Angebote, die den Alltag Ihres Kunden erleichtern und angenehmer machen. Zeigen Sie Ihrem Kunden, dass Sie dazu stehen.

Viel Erfolg beim Verkaufen auf Augenhöhe wünsche ich Ihnen.

Gaby S. Graupner