Das Telefontraining ist tot, es lebe das Telefontraining! – Erfahrungen eines Journalisten während seines Anrufes bei der FAZ

Vielleicht haben Sie bereits von Udo Ulfkotte gehört, er greift als ehemaliger Mitarbeiter der FAZ selbige in seinem Buch „Gekaufte Journalisten“ massiv an. Dazu wollte ein niederländischer Journalist ein Interview mit der FAZ bekommen. Seinen Versuch, per Telefon dieses Interview zu führen, hatte er auf Band mitgeschnitten. Seit heute (15.10.) ist dieser Mitschnitt nicht mehr auf der Internetseite des Kopp Verlages zu finden. Der Verlag wurde per Anwaltsschreiben dazu aufgefordert. 

Der Kopp-Verlag schreibt dazu: „... Auch wenn uns die Beeinträchtigung der Mitarbeiterinnen marginal erscheint (...) Um die kann und darf es nicht gehen.“ Das sehe ich anders. Mangelnde Informationen und fehlende Ausbildung der Mitarbeiter, das schadet nicht nur dem Unternehmen, sondern vor allem auch den betroffenen Damen und Herren, die in ihrem tiefsten Inneren ihr Unternehmen unterstützen wollen. 

Als ich mir die Aufzeichnung des Telefonates anhörte, war ich bass erstaunt, wie unprofessionell auch heute noch Mitarbeiter in einem Unternehmen mit Fragen, Angriffen und Reklamationen umgehen. Wenn Sie das Wort „Telefontraining“ in Google eingeben, erhalten Sie sofort 344.000 Ergebnisse. Seite für Seite werden Telefontrainings angeboten,  und das bereits seit vielen Jahren, wenn nicht gar schon Jahrzehnten. Und doch können viele intelligente und erfahrene Mitarbeiter mit den einfachsten Fragen oder Reklamationen nicht umgehen. 

Nehmen wir einmal an, ein Interessent oder ein bestehender Kunde hat eine Frage zu Ihrem Angebot, dummerweise ruft er dabei in der falschen Abteilung in Ihrem Unternehmen an. Würden Ihre Mitarbeiter dann so antworten:

„Kann ich leider im Moment nicht sagen, weil Sie sind in der XYZ-Abteilung, das (jeweilige Thema) ist für uns hier in dieser Abteilung nicht das richtige Thema...“

Was sagt diese Reaktion über das Unternehmen und natürlich auch über die jeweilige Dame oder den Herrn am Telefon aus?

Allein das Wörtchen „leider“ signalisiert, dass jetzt eine „Opferstory“ kommt und der erreichte Mitarbeiter mit diesem Thema nichts am Hut hat. 
„...im Moment nicht...“ – soll wohl heißen, hättest Du, lieber Anrufer, zu einem anderen Zeitpunkt angerufen, hätte ich mich vielleicht schon informiert, aber so...
„...weil Sie sind in der XYZ-Abteilung...“ – Erhobener Zeigefinger – ich weiß gar nicht, was du von mir willst, lieber Anrufer, du bist hier falsch, hättest du die richtige Abteilung angerufen, ja, dann vielleicht...
„...das (jeweilige Thema) ist für uns hier in dieser Abteilung nicht das richtige Thema...“ – Wir haben hier ganz andere Themen zu bewältigen und sind an deinem Thema nicht interessiert. Wo kämen wir hin, wenn wir uns mit allen Themen im Unternehmen beschäftigen würden. 

In einem Satz schafft es hier ein Mitarbeiter, sich selbst als inkompetent zu outen, er signalisiert deutlich sein Desinteresse am Thema und vermittelt dem Kunden, dass er sowohl die falsche Abteilung wie auch das falsche Thema angesprochen hat. 

Wenn Sie sich als Leser jetzt fragen, ob ein Mitarbeiter alles wissen und sich mit jedem Detail im Unternehmen auskennen muss, dann lautet die Antwort: „Nein, selbstverständlich nicht.“ Doch wie kann ein Mitarbeiter nun trotz „berechtigter“ Unwissenheit professionell reagieren? Das wäre die richtige Antwort gewesen:

„Vielen Dank für Ihren Anruf. Ich habe mir Ihr Anliegen notiert und kümmere mich darum. Sie werden kurzfristig von unserem Experten zu Ihrer Frage zurückgerufen. Sagen Sie mir bitte dazu Ihre Rufnummer.“

Alternativ: 
„Vielen Dank für Ihren Anruf. Ich habe mir Ihr Anliegen notiert und verbinde Sie mit unserem Experten (Herrn Meier-Müller) zu diesem Thema. Einen Moment bitte.“

Ein Mitarbeiter, der so reagiert, weiß auch nicht mehr als im o. g. Beispiel, aber er wirkt souverän und kompetent. Gleichzeitig wirkt auch das Unternehmen sofort viel professioneller und serviceorientierter. Eine Wohltat, mit der sich ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile holen kann und das ganz ohne Marketing- oder Vertriebsinvestitionen. 

Ein weiteres Beispiel: „Ich habe das Produkt jetzt nicht gesehen, u. U. bin ich auch nicht befugt, Ihnen etwas zu sagen, da müssen Sie höchstens... äh, ich weiß auch nicht, an wen ich Sie da..., allerhöchstens unsere XY-Abteilung. (...)“

Sicherlich erkennen Sie selbst, was diese Gesprächspartnerin, dieser Gesprächspartner über sich selbst, aber auch wieder über das Unternehmen aussagt. Eine kleine Bemerkung am Rande: Ein Kunde/Anrufer „muss“ gar nichts. Er kann, er will vielleicht sogar. Aber am schönsten ist es natürlich, wenn er einfach professionell dorthin verbunden wird, wo ihm am schnellsten geholfen wird. 

Das Telefonat des niederländischen Journalisten dauerte ca. 15 Minuten, dabei wurde er viermal unglücklich verbunden, wobei ich zur Ehrenrettung der FAZ gerne erwähne, dass die letzte Dame trotz vehementer und intensiver Nachfrage des Niederländers sehr konsequent und auch kompetent „nein“ sagte. Doch im wirklichen Kunden- und Lieferantenleben wäre zu diesem Zeitpunkt das Kind bereits tief im Brunnen versunken. 

Angenommen, in Ihrem Unternehmen meldet sich ein kauffreudiger Interessent oder ein unglücklicher Kunde oder gar ein Journalist, der über ein neues Angebot aus Ihrem Unternehmen erfahren hat. Würde hinterher der Kunde oder der Journalist auch sagen/schreiben: „Satire ist nichts dagegen …“?

Bitte beantworten Sie einmal folgende Fragen für sich:

Wie reagieren Ihre Mitarbeiter, wenn ein Anrufer Fragen hat, die nicht sofort beantwortet werden können?

Welche Antwort erhält ein Interessent, wenn er eine Frage zu einem Thema hat, von dem der Mitarbeiter am Telefon zum ersten Mal hört?

Welche Reaktion erfährt ein Kunde, wenn er nachdrücklich eine Antwort bezüglich einer Reklamation fordert?

Sind Sie sicher, dass alle Ihre Reaktionen mit einem „gut“ ausgezeichnet würden? Quer durch Ihr Haus? Wenn nicht, ist es jetzt an der Zeit, etwas dagegen zu unternehmen, denn Sie wissen nie, wann ein potenzieller Kunde oder ein Journalist irgendwo bei Ihnen im Unternehmen anruft. Und nein, unsichere und unwissende Mitarbeiter sind nicht marginal beeinträchtigt. Sie sind kreuzunglücklich wegen ihrer inkompetenten Reaktion und sie schaden speziell Ihrem Unternehmen.

Motivierende Grüße sendet Ihnen

 

P.S.: Sie wollen weitere Beispiele lesen, wie falsch Mitarbeiter am Telefon reagieren können? Dann lesen Sie hier:


Oh, wir haben noch die XY-Abteilung und die AB-Abteilung. Ich will mal schauen, ob dieses Produkt bei uns doch schon aufgetaucht ist. Moment... (Verbindet ohne Ankündigung und außerdem blind)

Ohne Ankündigung bedeutet, dass der Anrufer nicht weiß, mit wem er als nächstes sprechen wird und ob er sein Anliegen erneut vortragen muss. (Buchbinder Waninger Syndrom)

Blind verbinden bedeutet, dass eine Kollegin einen Anruf durchgestellt bekommt, ohne zu wissen, wer dran ist, worum es geht und damit sozusagen ins „offene Messer“ läuft.


Herr Müller-Meier kennt es bestimmt, der ist leider noch nicht da. Ich vermute es, ich weiß es aber nicht. Ich bin jetzt da irgendwie nicht informiert, ich weiß nicht, mit welchen Produkten er sich auskennt. Ich gehe davon aus, dass er von diesem Produkt gehört hat.

Herr Müller-Meier ist unser Experte für dieses Thema, er wird sich bei Ihnen melden. Ist die Rufnummer 089 1234567, die ich hier auf meinem Display sehe, die Nummer, mit der er Sie am besten erreicht?

Anrufer sagt: „Ich werde jetzt zum 5. Mal verbunden...“ Antwort des Mitarbeiters: „Ich hab’ noch nicht mit Ihnen gesprochen, mit wem haben Sie denn schon gesprochen?“

Jetzt wird der Anrufer vorgeführt und mit einer Aufgabe abgelenkt. Besser:
„Ich bitte um Entschuldigung und kümmere mich zuverlässig um Ihr Anliegen. Gerne kläre ich für Sie, welcher Experte in unserem Hause für Sie zuständig ist...“

„Ich verbinde Sie dann mal eben – tja, hm, ich würde sagen, mit dem Chef. Ich frag’ mal dazu Frau Müller-Meier. Einen Moment, bleiben Sie in der Leitung...“

In dem Moment, in dem ein Mitarbeiter unsicher ist, mit wem er den Anrufer verbinden soll, ist es professionell, einen Rückruf anzubieten, der dann natürlich zeitnah erfolgen muss. Nachdem man sich informiert hat, wer nun der richtige Ansprechpartner ist, gibt man entweder die Daten an den Kunden im versprochenen Rückruf weiter oder der Kollege „Experte“ ruft den Anrufer zurück, skizziert kurz, dass er weiß, worum es geht – damit der Anrufer nicht erneut sein Anliegen vorbringen muss – und geht jetzt in die Lösungsfindung. 


„Die Kollegin hat Sie zwar jetzt an mich verwiesen, jetzt muss ich Sie aber leider noch einmal weitergeben an unsere Dame in der XY-Abteilung. Da würde ich Sie jetzt nochmals hin verbinden. 

Spätestens jetzt ist eine Entschuldigung nötig, besser als das Wort „leider“. Ich würde es vermeiden, dieses nochmalige verbinden explizit wiederholt herauszustellen. Auch der versteckte Hinweis „meine Kollegin hat Sie ja verbunden – da kann ich auch nichts dafür“ ist ersatzlos zu streichen. „...jetzt muss ich Sie leider nochmals verbinden...“ Stattdessen ist es professioneller, zu sagen: „Ich verbinde Sie an Herrn Meier-Müller, weil er unser Experte in Sachen ABC ist. Vielen Dank für Ihre Geduld mit uns...“ Anrufer sind durchaus nachsichtig und geduldig, wenn sie wissen, warum sie nochmals verbunden werden sollen. Statt dem Wörtchen „leider“ ist das Wörtchen „weil“ ein Zauberwort.