Kuscheln mit Kunden?

Ich sitze am Telefon. Telefonkonferenz mit drei Regionalleitern eines Vertriebsnetzwerkes. Wir diskutieren über die nächsten Themen bei den Regionaltreffen und vor allem über die geplanten Titel.Mir fällt auf, die Themen und Titel sind sehr weich. Wenig erfolgsorientiert. Wenig umsatzorientiert. Durch die Gruppe zieht sich eine unsichtbare Trennlinie. Einer möchte mehr den gemütlichen Austausch, die anderen handfeste Themen und Thesen, die zum Erfolg führen. Die Diskussion wird schärfer. „Wir sind nicht zum Stammtisch und gemeinsamen Klüngeln hier“, tönt es aus dem Hörer. „Ja, aber – wir wollen doch auf die Bedürfnisse unserer Vertriebler eingehen, die sollen ja auch auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen“, schallt es zurück.

„Das Ziel der jeweiligen Veranstaltung ist es, Kunden zu gewinnen und Kunden zum Auftrag zu bewegen“, wird sofort entgegengesetzt und ich spüre förmlich den Seitenblick in meine Richtung – der Vertriebstrainerin.

„Wir haben doch im Training gelernt, viele Beziehungsfragen sind der Anfang des Erfolges beim Kunden“, schießt es zurück. Jetzt spüre ich den Seitenblick von der anderen Seite. Direkt durchs Telefon erhitzt der Blick mein Ohr.

„Stopp, meine Damen und Herren“, kommt mein Machtwort.

Beziehungsfragen sind nicht die Auftaktveranstaltung zum Kuschelkurs mit dem Kunden, sondern sie zeigen echtes Interesse am anderen. Dabei hören Sie ihrem Gesprächspartner wirklich zu und keiner von Ihnen hat manipulative Absichten. Dieses echte Interesse an dem Menschen Kunde ist die Basis der (späteren) Geschäftsbeziehung. Doch das echte Interesse ersetzt nicht das Ziel eines Gespräches, nämlich, mit dem Kunden einen Auftrag zu vereinbaren. Egal, wie Sie das Gespräch führen, am Ende sollte über kurz oder lang ein Auftrag dabei herauskommen. Ein Auftrag, an dem beide, der Kunde und der Verkäufer, ihre Freude haben. Der für Sie beide Sinn macht.

„Besteht denn die Gefahr, dass die Beziehungsfragen einen Kuschelkurs einleiten, der weder zu uns noch zu unserem Kunden passt?“, kommt die Frage.

„Nein“, lautet meine klare Antwort. Sich für seinen Gesprächspartner zu interessieren, hat nichts mit Kuscheln zu tun. Im Gegenteil, die Antworten auf Beziehungsfragen entscheiden über drei wichtige Aspekte einer Kunden-Lieferanten-Beziehung:

  1. Passen der Kunde und seine Einstellung zu uns? Passen unsere Werte und wir zum Kunden?
  2. Hat der Kunde Erwartungen, die ganz unabhängig vom konkreten Angebot sind, die wir grundsätzlich erfüllen können und wollen?
  3. Welche Erwartungen haben wir, die ganz unabhängig vom konkreten Auftrag sind? Wird unser Kunde diese Erwartungen erfüllen?

Es macht wirklich keinen Sinn, einen Kunden im Sinne des Beuteschemas abzuklopfen. Es macht aber Sinn, einen Kunden in Bezug auf seine Werte, seine Erwartungen und seine Erfahrungen zu kennen.

Es macht keinen Sinn, zu hoffen, wenn wir nur genug persönliches Interesse gezeigt haben, dass der Kunde a) automatisch bei uns kauft und b) loyal und für immer bei uns bleibt, nur weil er auch Hunde mag. Es macht aber Sinn, wenn unser Angebot darüber hinaus auch zu seinen Bedürfnissen passt, dass man gemeinsame Interessen hat.

Echtes Interesse am Kunden ersetzt unser Ziel, etwas zu verkaufen in keinem Fall.

Das gilt auch für alle Veranstaltungen, die in einem professionellen Umfeld stattfinden. Wir sind hier, um Geschäfte zu machen oder uns für unsere beruflichen Aufgaben weiterzubilden. Das Schöne an einer guten Beziehung zu den einzelnen Kunden oder Teilnehmern ist, dass es allen Beteiligten mehr Freude macht und uns ein Gefühl von echter Partnerschaft gibt.

Fazit: Umsatz und Gewinn zu machen, ist etwas gänzlich Natürliches und geht auf unser Grundbedürfnis des Überlebens zurück. Dieses Ziel verliert nicht an Gültigkeit, weil wir es auf der Basis von Augenhöhe und Wertschätzung verfolgen.

Und der einzige Ort, an dem uns gebratene Tauben und reife Früchte direkt in den Schoss respektive Mund fallen, ist das Paradies und diesen Ort hat noch keiner gefunden. Deshalb gehen Sie mit einem klaren Verkaufsziel in einen Kundentermin und einem klaren Businessziel in einen Geschäftstermin wie zum Beispiel einem Regionaltreffen.

Beispiel eines Kundenbeziehungs-Basisgesprächs

... Sie, der Verkäufer: „Sie sind Bergsteiger oder Bergwanderer?“ Ihr Kunde: „Eher schon etwas sportlicher, Bergsteiger. Ich mag es gerne, richtig zu klettern, mit Seil und Haken.“ Sie, der Verkäufer: „Das ist eine Herausforderung. Wie haben Sie das gelernt?“ Ihr Kunde: „Schon als Kind mit meinem Vater.“

... (Kunde erzählt ein Erlebnis aus der Kindheit.)

... Sie, der Verkäufer: „Heute sind Sie Ingenieur. Hat Sie Ihre Kindheit zu diesem Beruf inspiriert?“ Ihr Kunde: „Nein, ein Onkel.“

... (Kunde erzählt etwas aus seinem Entwicklungsweg).

... Sie, der Verkäufer: „Das verstehe ich gut. Bei mir war es eine Figur aus einem Buch.“

... (Sie erzählen von dieser Figur und den Inspirationsgedanken.)

... Usw.

(Auszug aus dem Buch: „Verkaufe dein Produkt, nicht deine Seele“, Gabler Verlag 2010)

Herbstliche Grüße sendet Ihnen

Gaby S. Graupner

Gaby S. Graupner