Wie sage ich meinem Kunden mit Respekt, dass ich Respekt will!

Wie sage ich meinem Kunden mit Respekt, dass ich Respekt will? Ist der Kunde König und darf alles – oder schlagen Sie mit gleicher Münze zurück? Wer gewinnt dann, wer verliert? Konsensitives Verkaufen® Verkaufstipp Nr. 24

Grüss Gott, lieber Leser,

Die Friseurin ... „Herren, schneiden, föhnen: 15 Euro.“ Darüber kann man nicht meckern. Man könnte aber zumindest etwas Freundliches sagen, wenn man das Angebot annehmen möchte – einen vollständigen Satz zum Beispiel. Findet zumindest die junge Frau, die beim Friseur an der Ecke arbeitet, mit viel Freude wie sie sagt. Die Tür geht auf, die kleine Glocke bimmelt. Vor dem Tresen steht ein Mann, reif für die Schere. „Guten Abend, kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie. Der Mann schaut sich um, als werde er verfolgt. „Schneiden“, sagt er. Womit das Notwendigste doch wohl gesagt wäre. Dachte er. Der Gesichtsausdruck der Friseurin aber friert ein. „Ganz ehrlich: Ein Satz mit „Guten Tag“ und „bitte“ hätte es auch getan“, sagt sie. Der Kunde reagiert sauer, macht auf dem Absatz kehrt und verlässt den Laden. Die Frau zuckt mit den Schultern: „Ist das zu viel verlangt?“, fragt sie in die Runde. „Ein bisschen Respekt muss doch wohl sein.“ Das fand auch der Mann einen Augenblick zuvor.

* Auszug Brand Eins 05/11 Respekt

Ganz entgegen des gängigen Marketingsatzes: „Am Ende bekommen wir sie alle“, will diese Dame nicht jeden Kunden. Berechtigt? Aus ihrer Sicht ja. Der Tag war bereits fortgeschritten. Vielleicht war er der 10 Kunde, der seinen Wunsch nur noch als Wort-Anordnung äußerte. In einer Welt von SMSen und Twitter üblich? Nur noch 140 Zeichen erlaubt – üben wir etwas?

„Schneiden“ sagt er – nicht ruft er oder brüllt er oder zischt er. Außerdem ist er der Kunde und vielleicht doch König. Dann darf er das. Als König. Und in seiner Welt ist er heute der Erste der sagt: „schneiden“. Außerdem funktioniert es ja, auf „schneiden“ folgt die Ausführung, oft erprobt – hat immer funktioniert. Nur heute nicht. „Ich bin der Kunde, ob König oder nicht, ich lasse mich nicht vor versammelter Mannschaft zurechtweisen.“ Da hat er Recht. Aus seiner Sicht.

„Jeder vierjährige muss „bitte“ sagen, bevor er den Lutscher bekommt“, denkt sie. Hört das automatisch mit der Pubertät auf und „bitte“ und „danke“ sind für immer ausgelöscht? Da hat sie Recht. „Besser ich sage das deutlich, als ich schneide ihm „aus Versehen“ ins Ohr“, da hat sie wieder Recht.

„Klare präzise Antwort auf eine Frage“, denkt er. Stimmt! „Ich bin doch kein Computer – Antworten bestehen nicht aus 0 und 1. Ich bin ein Mensch mit Würde.“, denkt sie. Da hat sie Recht.

Was ist die Lösung?

Wie sage ich meinem Kunden mit Respekt, dass ich Respekt will? In diesem Beispiel hat die Dame die Schlacht gewonnen – aber den Krieg verloren. Sie hat es dem Kunden gezeigt, aber er ist weg. Verloren! Wahrscheinlich für immer.

Im Laufe meiner Jahre als Vertriebsmitarbeiterin, als Vertriebsführungskraft und heute als Unternehmerin habe ich viele solcher Situationen erlebt.

Situation 1: Kunde legt auf

Früher ist das öfters während der Kaltakquise passiert. Ich rufe den potenziellen Ansprechpartner an, stelle meine Dienstleistung oder mein Produkt vor und der Kunde antwortet zornig: „Kein Interesse“ und legt auf. Ich habe dann langsam bis 10 gezählt, ihn wieder angerufen und gesagt: „Entschuldigen Sie bitte, die Telekom hat uns getrennt. Das tut mir leid.“ ... und einfach meinen Text weiter gesprochen. Nur einer von zehn hatte den Mut, die Situation aufzuklären und zu sagen, dass er das war. Die anderen 9 hörten höflich bis zum Ende zu und waren dann meist immer noch nicht interessiert. Einige wenige wurden langjährige Kunden von mir. Doch ich hatte meinen Kopf durchgesetzt, damals fand ich das gut. Und heute? Es gibt keine Aufleger mehr, wahrscheinlich weil mein Einstieg professioneller wurde. Nicht mehr „ich bin die Größte, die Beste und die Tollste“ sondern mit mehr Interesse an meinem Gesprächspartner und seinem Nutzen.

Situation 2: Kunden sind in ihrer Sprache unhöflich

Dann werde ich sehr höflich. Strahle, lächle, und spicke meine Sätze mit „bitte“ und „danke“ und „ja, gerne“ überall da, wo es sinnvoll ist und nicht ironisch wirkt. Acht von zehn ändern ihr Verhalten, zögerlich, aber kontinuierlich. Einer entschuldigt sich, einer bleibt dabei.

Ich nehme nicht mehr persönlich, was ein Anrufer oder fremder Gesprächspartner zu mir sagt. Er kann mich nicht wirklich meinen. Er kennt mich nicht. Alles, was er sagt, sind Buchstaben, die Worte ergeben und Worte die Sätze ergeben. Ihre Wirkung auf mich, entscheide ich. Ich kann mich entscheiden, die Worte sachlich zu hören, ich kann mich auch dagegen entscheiden. Doch es ist meine Entscheidung und nicht die meines Gesprächspartners.

Situation 3. Kunde ist grob unhöflich und beleidigend

Ich sende ihm eine Ich-Botschaft. „Jetzt, fühle ich mich sehr getroffen.“ oder „Ich merke, Sie sind wirklich ärgerlich, dass tut mir leid.“ oder „Ich bin sehr getroffen und weiß jetzt gar nicht. was ich sagen soll“. Acht von zehn, ziehen sofort zurück – nicht dass sie nett werden, aber höflicher, sachlicher. Manch einer entschuldigt sich auch. Dabei ist eine beliebte Formulierung: „Ich weiß ja, Sie können nichts dafür, aber das muss mal gesagt werden“ oder „Bei Ihnen bin ich an der falschen Adresse, das weiß ich, aber...“ Damit kann ich sehr gut leben.

Selten macht mal einer weiter oder wird sogar noch unhöflicher bis beleidigend. Das muss ich mir nicht gefallen lassen. Ich sage ihm dann: „Das tut mir leid, diesen Ton will ich nicht akzeptieren. Ich verstehe, sie sind jetzt verärgert und rufe Sie daher gerne in einer Viertelstunde wieder an. Ich verabschiede mich jetzt und lege auf.“ Funktioniert immer.

Mein Fazit für die Geschichte von oben: Wirklich gut wirkt immer nur das Vorbild. Und in dieser Situation ist die Dame der Profi. Als Profi weiß sie, dass Kunden nicht sie meinen, sondern irgendetwas aus einer Situation vor dem Zusammentreffen. Also kann sie besonders nett reagieren und damit wirklich etwas verändern. Und das Wichtigste zum Schluss: Niemals einem Kunden vor anderen die Meinung sagen.

Sonnige Frühlingsgrüße sendet Ihnen

Gaby S. Graupner